Die Stadt Wien verfügt über 6500 Notschlafplätze. Für die Organisation Freiwilliger gibt es Webseiten und eine neue App.
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Wien. Die gestrige Presskonferenz mit Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely, dem Wiener Flüchtlingskoordinator und Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien Peter Hacker und Landtagspräsidenten Harry Kopietz im Rathaus begann mit einem Protest. Umringt von Kameraleuten hielt ein halbes Dutzend Demonstranten Schilder hoch, auf denen sie sich darüber beschwerten, von der Stadt Wien bei der Hilfe für Flüchtlinge allein gelassen zu werden.
Das wollte Flüchtlingskoordinator Hacker nicht auf sich sitzen lassen. "Entschuldigung, dass ich vorhin die Contenance verloren habe", begann er seine Rede, "aber mein Nervenkostüm ist im Augenblick etwas dünn." Hacker widersprach den Anschuldigungen der Protestierenden. Er sei "rund um die Uhr" im Einsatz für die Versorgung der Flüchtlinge in Wien. "Die Grenzen zwischen den Organisationen der Stadt, der Polizei und der Zivilgesellschaft verschwimmen, es ist ein Zusammenrücken in einer ungeahnten Dimension."
Stadträtin Wehsely sprach von einer "Pflicht zu helfen" und richtete einen Appell an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union: "Einige wenige wie Österreich und Deutschland können die Flüchtlinge nicht alleine aufnehmen. Das ist ein Thema, das man nur solidarisch lösen kann."
Kritik äußerte Wehsely auch an den Gemeinden sowie am Innenministerium. 60 Prozent der Gemeinden hätten noch keinen einzigen Flüchtling aufgenommen, so Wehsely. Die Zustände im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen seien "unerträglich", es sei "peinlich, dass es einen österreichischen Flüchtlingskoordinator Christian Konrad braucht, damit NGOs ins Lager dürfen und damit die medizinische Versorgung gewährleistet ist". Das, so Wehsely, hätte eigentlich das Innenministerium schaffen sollen: "Die Arbeit ist hart, aber es ist unsere Aufgabe, das zu schaffen."
"Meisterleistung der Logistik"
Nachdem entschieden wurde, dass die Situation für Flüchtlinge in Ungarn untragbar sei, habe die Stadt Wien gemeinsam mit NGOs und Freiwilligen innerhalb von einer Woche 6500 Schlafstellen in Notquartieren eingerichtet. Zudem gebe es 1500 Plätze über Privatpersonen. Rund 5600 Asylsuchende wurden heute Früh in den Wiener Notschlafstellen gezählt, so Hacker. Shuttlebusse der ÖBB, die Wiener Linien sowie Vertreter der Taxiinnung brachten die Menschen von den Bahnhöfen in ihre Quartiere. Wer weiter nach Graz oder Richtung Oberösterreich wolle, werde dort weiter verpflegt.
Untergebracht werden die Menschen derzeit in aufgelassenen Krankenanstalten, in Pflegeeinrichtungen wie etwa Pensionistenhäuser, im Notschlafquartier der Wiener Stadthalle sowie bei Privaten wie der Erste Bank, die ihren Standort am Hauptbahnhof für Flüchtende geöffnet hat. Weitere Quartiere werden von den Pfarren, der Diakonie, der Caritas und türkischen Vereinen zur Verfügung gestellt.
Das Ferry-Dusika-Stadion im Prater und die Sport- und Funhalle haben in der Nacht auf Dienstag ihre Tore für Flüchtlinge geöffnet. "Wir können die Welt nicht retten", so Hacker, "aber wir wollen sie verbessern - das ist die Botschaft an die Zögerlichen und an jene, die sich immer noch fürchten." Es sei normal, dass Menschen Angst vor dem Unbekannten hätten, "aber wenn man mit ihnen spricht, dann können sich diese Ängste schlagartig auflösen". So habe er eine Dame, die sich vor einem Massenquartier für Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft fürchtete, beruhigen können: "Es werden maximal 80 Personen an einem Standort untergebracht. Die aktuelle Flüchtlingskrise erfordere eine "Meisterleistung der Logistik", so Hacker weiter. Ein "24-Stunden-Krisenstab" aus Arbeitersamariterbund, Rotem Kreuz und Caritas diene momentan als logistische Drehscheibe. "Wir sind in der Lage, rund 6000 Essensportionen in die Einrichtungen zu liefern." Für Hacker ist es im positiven Sinn "unfassbar, was gerade in dieser Stadt stattfindet". Die enorme Hilfsbereitschaft entspringe einem "Selbstverständnis von sozialpolitischen Maßnahmen" in Wien.
Dank an "Train of Hope"
Landtagspräsident Kopietz wies darauf hin, dass sich Helfer auf der Homepage www.diehelferwiens.at seit Jahren registrieren lassen können und damit auch haftpflichtversichert sind. Großen Wert legt Wehsely auf die eben entwickelte App "wien.at live", die bisher rund 206.000 Zugriffe verzeichnet und Helfende darüber informiert, was gerade an welcher Stelle gebraucht wird.
Besonderen Dank sprachen Wehsely und Hacker der Freiwilligeninitiative "Train of Hope" aus, die seit Anfang September die Versorgung am Hauptbahnhof koordiniert. Man stehe "täglich in Kontakt", die Kooperation zwischen Freiwilligen, NGOs und der Stadt Wien funktioniere "tadellos". "Wir sind zufrieden, es könnte aber besser laufen", sagt dagegen ein Sprecher der Initiative. Es fehle immer noch an vielem. Vor allem bei der Verteilung an die Quartiere sowie beim Transport gebe es noch Schwierigkeiten.
www.diehelferwien.at – Helfende sind für die Zeit der ehrenamtlichen Arbeit haftpflicht- und unfallversichert.
www.flüchtlingewien.at – Infos zu Spenden und akuter Hilfe.
Die "wien.at live"-App unterstützt Flüchtlingshilfe durch Information in Echtzeit.
www.hilfeambahnhof.at – informiert über die Lange auf den Bahnhöfen.
24-Stunden-Hotline: 01 24