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Ungleiche Partner, gleiche Wurzeln

Von Martyna Czarnowska

Politik

Nationalkonservative stellen Premier und Präsident. | Warschau. Schuld war der Portier. Weil er verschlafen hatte, konnte er ein Wahllokal in der schlesischen Stadt Legnica nur verspätet aufsperren. Daher verzögerte sich auch die Veröffentlichung der ersten Wahlprognosen für die polnische Präsidentschaftswahl. Erst gegen 21 Uhr zeichnete sich ein Wahlsieg Lech Kaczynskis von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ab: Bei der Stichwahl führte er mit rund 53 Prozent vor Donald Tusk von der wirtschaftsliberalen Bürgerplattform (PO).


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Zum dritten Mal in vier Wochen war Polens Bevölkerung zu den Urnen gerufen, um Parlament und Staatsoberhaupt zu wählen. Die Präsidentschaftswahl dominierte von Anfang an den Wahlkampf, der die Regierungsarbeit seit Monaten lähmt. Und die neue Koalition ließ sich mit ihrer Bildung auch Zeit. Doch nach der Stichwahl solle es zügig gehen, kündigte der designierte Premier Kazimierz Marcinkiewicz (PiS) an. Bis Ende der Woche könnte die neue Regierung stehen.

Rechter Flügel vorn

Wer sie bilden wird, war schon nach der Parlamentswahl am 25. September klar. Polens Bevölkerung hat das bis dahin regierende Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) abgewählt und zwei Parteien des rechten Flügels - der seine Wurzeln in der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc hat - zu den stimmenstärksten gemacht. PiS erhielt knapp 27 Prozent der Stimmen, PO knapp 24,2 Prozent. Die Präsidentschaftswahl festigte den Machtwechsel.

Die Zeit der Kommunisten sei damit endgültig vorbei, frohlockten die Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski. Die Polen seien nicht mehr zerrissen zwischen Vergangenheit und Zukunft. Dennoch waren es in erster Linie traditionelle Werte, mit denen Lech Kaczynski warb: Familie, Katholizismus und Nation. Der Warschauer Bürgermeister, der eine Homosexuellen-Parade in der Hauptstadt verboten hatte, will den Sozialstaat stärken und Polen selbstbewusst gegenüber den Nachbarn Deutschland und Russland auftreten lassen.

Mag Nationalismus in vielen westlichen Staaten Erinnerungen an verheerende Folgen wecken - in einem Land, das jahrzehntelang im Untergrund für seinen Selbsterhalt kämpfen musste, fällt er in weiten Teilen noch immer auf fruchtbaren Boden.

Das ist wohl einer der Gründe, warum auch Donald Tusk nicht immer umhin kam, seinen Patriotismus hervorzustreichen. Dennoch präsentierte er sich lieber als toleranter und weltoffener Staatsmann. Das liberale Wirtschaftsprogramm, mit dem die Bürgerplattform angetreten war, rückte dabei zunehmend in den Hintergrund.

Reformen nötig

Doch auch die Kaczynski-Brüder, deren Partei nun den Präsidenten und den Premier stellt, sind pragmatisch genug, die Wirtschaft nicht zu unterschätzen. Sie müssen die Arbeitslosigkeit, die bei rund 18 Prozent liegt, ebenso bekämpfen, wie die seit Jahren fast gleich bleibende Kluft zwischen Arm und Reich.

Zwar betrug das Wirtschaftswachstum im Vorjahr immerhin rund fünf Prozent. Doch ohne weitere Reformen ist eine Ankurbelung der Wirtschaft sowie Senkung des Budgetdefizits um geplante drei Milliarden Zloty (rund 700 Millionen Euro) nicht denkbar.

Auch wenn PiS der PO vorgeworfen hat, Politik "nur für Reiche" zu machen - in der Regierung kann sie nicht nur die ärmere Landbevölkerung repräsentieren, sondern muss auch die Mittelschicht sowie jüngere Wähler vertreten, die für die Bürgerplattform gestimmt haben. Eine Zuspitzung auf das im Wahlkampf ausgegebene Motto "Soziales kontra Wirtschaft" wird nicht mehr möglich sein. Polen zu größerer Einheit zu verhelfen, ist eine der wichtigsten Herausforderungen für die künftige Regierungskoalition.