Um den Euro zu retten, müssen Regierungen Ungleichgewichte beseitigen. | Alle müssen sich um Konsolidierung bemühen. | Brüssel. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz meint, ohne eine sehr detaillierte gemeinsame Wirtschaftspolitik werde der Euro wieder verschwinden, einfach zerbrechen. Die Fliehkräfte innerhalb der Währungsunion und die Ungleichgewichte wären einfach zu stark.
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Dem Vernehmen nach existiert ein EU-internes Papier, das für den Vorsitzenden der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, erstellt wurde und zu einem ganz ähnlichen Schluss gelangt: Nur wenn alle Euroländer ihre Bemühungen um eine Konsolidierung verstärken, kann an den Märkten wieder Ruhe einkehren. Vorher nicht.
Das bedeutet, dass sich alle am Riemen reißen müssen, nicht nur die ständig genannten Staaten Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien. Nun sind die Ungleichgewichte beim Budget am Thema Griechenland eindrucksvoll zutage getreten. Da gibt es Staaten, die sich an die Stabilitätskriterien halten oder sich wenigstens bemühen, dies zu tun. Und dann gibt es Staaten, die Geld ausgeben, als gäbe es kein Morgen. Dazu zählte in den vergangenen Jahren übrigens auch Großbritannien.
Doch dies sind nicht die einzigen Ungleichgewichte. Jürgen Stark, Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), meinte im Jänner (also noch vor dem Ausbruch der jetzigen Schuldenkrise): "Es erscheint jetzt mehr denn je geboten, makroökonomischen Ungleichgewichten, ihren Ursachen und den Anpassungsprozessen zu ihrer Überwindung größere Beachtung beizumessen. In mehreren Ländern - wie den USA, Großbritannien, einigen osteuropäischen Ländern und auch einigen Euroländern - zählen überbordende Immobilienpreise, ein enormes Kreditwachstum und wachsende Leistungsbilanzdefizite zu den Ungleichgewichten."
Deutschland müsste griechischer werden
Während also Deutschland einen enormen Überschuss erwirtschaftet, stecken andere Länder wie Griechenland oder Portugal tief im Minus. Ihre Handelsbilanz ist negativ, es wird mehr importiert als exportiert. Das kann auf Dauer nur gut gehen, wenn es einen beständigen Kapitalstrom in diese Länder gibt, um dies auszugleichen. Nun scheuen sich aber viele Investoren davor, den hochverschuldeten Ländern Geld zu geben, deren Bilanz gerät ins Rutschen.
Die Überschüsse der deutschen Industrie sind aber die Defizite der spanischen Importeure. Also gehört zur Beseitigung dieses Ungleichgewichtes eine stärkere Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Staaten. Salopp ausgedrückt müsste nun Deutschland ein bisschen wie Griechenland werden; und die Griechen müssten werden wie die Deutschen.
Abgesehen davon, dass dies der Mentalität beider Völker stark widersprechen würde, wäre es auch realwirtschaftlich nur schwer machbar. Trotzdem ist es so, also wird es ins unverfängliche EU-Deutsch übersetzt: Auch Deutschland müsse seine strukturellen Ungleichgewichte bekämpfen und den Binnenkonsum stärken. Im Klartext bedeutet das: Die Deutschen sollten mehr Geld ausgeben und weniger sparen - sprich: sich stärker verschulden. Das gilt auch für Länder wie Österreich.
Ein "pathologischer Optimist"
Im öffentlichen Haushalt sparen, aber dennoch den Konsum ankurbeln - geht das? Nein, aber dabei handelt es sich ja um ein wirtschaftspolitisches Konzept. Und zu Beginn geht es wohl darum, die öffentlichen Haushalte wieder in Ordnung zu bringen.
Die EU-Regierungschefs sind sich dabei der Notwendigkeit einer Kurskorrektur nicht völlig bewusst. Einen "pathologischen Optimisten" nannte ein spanisches Delegationsmitglied in Brüssel seinen Regierungschef Jose Luis Zapatero. Diese Verleugnung der Wahrheit hat nun - nach den Panikreaktionen an den Finanzmärkten - der Vernunft Platz gemacht.
Um den Euro zu retten, sind die Regierungen bereit, Ungleichgewichte zu beseitigen. Manche Regierungschefs werden noch nicht wissen, was dies bedeutet. EZB-Chefökonom Stark hingegen schon: "Es geht auch darum, interne Ungleichgewichte im Euroraum abzubauen. Dies ist dringend und in allererster Linie Aufgabe jener Länder, die in den letzten Jahren über ihre Verhältnisse gelebt haben und infolge einer unzureichenden Anpassungspolitik Wettbewerbsverluste hinnehmen mussten. Diese Korrekturen werden zum Teil schmerzlich sein. Aber auch sie sind notwendig."