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Unheil im Rhythmus der Zeit

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Im Durchschnitt kracht es global alle zweieinhalb Jahre. | Die Sicherheitsmaßnahmen der Menschen sind ein löchriges Geflecht.


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Das Bohrloch im Golf von Mexiko scheint nach drei Monaten wenigstens vorläufig abgedichtet zu sein. Die Bewohner ferner Binnenstaaten sind wegen der Ölkatastrophe zwar nicht in Panik verfallen, aber das Unheimliche des Ereignisses verspürten sie wohl. Die Vorstellung, dass der Mensch und sein Hunger nach Energie dabei sein könnten, einem einst als Born des Lebens funktionierenden Ozean den Rest zu geben, ist unerträglich.

Der zeitliche Rhythmus von Unglücken bleibt verborgen. Ältere Leute, die auf ihr Leben zurückblicken, können mitteilen, dass so alle paar Jahre die Grenzen ausgelotet werden. Zwischen dem Reaktorunglück in Tschernobyl, das auch schon wieder 24 Jahre zurückliegt und sogar im Wienerwald die Schwammerl ungenießbar gemacht hatte, und dem Desaster der Offshore-Ölförderer gab es ja tatsächlich immer wieder große Aufregungen: den Zerfall Jugoslawiens und den Kosovokrieg 1999. Die "New Economy", die bald nach der Jahrtausendwende die Spekulationsblasen platzen ließ; wenige Jahre später die noch immer nicht gebannte Weltwirtschaftskrise, die zeigt, dass die Ereignisse von 2001 nicht wirklich lehrreich gewesen sind. Kosovokrieg, Irakkrieg. Tsunami in Südostasien. Immer wieder Erdbeben. Dazwischen Ängste, die zwischen wirklicher Bedrohung und Hysterie viel Spielraum gaben: die Vogelgrippe, die auf Europa überzugreifen drohte, und die Schweinegrippe, die wenig Schaden anrichtete und die Pharmakonzerne noch reicher machte.

Und vor Tschernobyl? Rinderwahnsinn. Erste und zweite Erdölkrise mit Folgen für das weltweite Preisniveau auf dem Energiesektor. Und all das, was uns die Spaltung der Welt in zwei feindselige, ideologisch unvereinbare Blöcke bescherte: die Ungarnrevolution 1956, bei der Österreich zum Transitland für Hunderttausende Flüchtlinge wurde, der Mauerbau 1961 in Berlin, der zur Versorgung der Westberliner eine militärische Luftbrücke erforderte. Die Kubakrise des darauf folgenden Jahres, in der die zwei Supermächte auf den selbstmörderischen Knopfdruck zuzugreifen drohten. Vietnamkrieg. Die militärische Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968. Die Ausbreitung der tödlichen Krankheit Aids.

Doch Hand aufs Herz: Ein jedes Mal sagten diejenigen, die es nicht so grausam erwischt hatte wie viele Iraker, Bosnier, Albaner, Vietnamesen, Ukrainer am Fuße des Reaktors von Tschernobyl und deren Kinder: "Noch einmal davongekommen." Ist nicht nur die unaufhörliche Reihe der Katastrophen, sondern auch deren tröstliches Ende für die Mehrheit der Davongekommenen eine Art Naturgesetz? So steht das nirgends geschrieben. Immerhin ist das "Noch einmal davongekommen" unvergleichlich komfortabler als das, was im 20. Jahrhundert mit zwei Weltkriegen für die Groß- und Urgroßeltern-Generationen veranstaltet worden ist.

Und die Moral von der Geschicht? Wer mitgezählt hat und mit Zettel und Bleistift rechnet, kommt auf je eine neue Erschütterung in zweieinhalb Jahren, im Durchschnitt und je nach Maßstab für Unheil. Die Katastrophen werden teils von der Natur veranstaltet, teils von Menschen. Die zweitgenannte Art, die selbstverschuldete, erregt den Verdacht, dass im gloriosen Fortschritt die Unzurechnungsfähigkeit der Fortschreitenden eingebaut ist. Wer drängt sich schon freiwillig zum Tanz auf dem Vulkan?

Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse und Salzburger Nachrichten.