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Uni-Protest bringt de Villepin in Not

Von WZ-Korrespondent Stéphane Monteverdi

Europaarchiv

Jugendliche haben Arbeitsplatzsorgen. | Anfang des Endes des Premiers? | Paris. Waren es im Herbst die benachteiligten Jugendlichen der Vorstädte, sind es jetzt die privilegierten Jugendlichen der Universitäten. Rund die Hälfte der 84 französischen Universitäten ist von der Protestbewegung erfasst. Am Dienstag fand ein nationaler Aktionstag statt, für Donnerstag und Samstag sind von den Gewerkschaften weitere vorgesehen. Gemeinsam mit den Studierenden fordern sie den Rückzug des so genannten Ersteinstellungsvertrages, welcher den Arbeitgebern erlaubt, während einer zweijährigen Probezeit jederzeit und ohne Angabe von Gründen zu kündigen.


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Villepin verweigert Gespräche

Wie in der "Krise der Vorstädte" sind der Grund für die jetzigen Proteste die schwierigen Arbeitsbedingungen für junge Arbeitnehmer. Unter ihnen macht sich das Gefühl breit, sie würden trotz guter Ausbildung immer mehr vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Zwischen 20 und 33 Prozent der jungen Arbeitnehmer finden je nach Ausbildung in den zwei Jahren nach ihrem Abschluss keine Arbeit. Die allgemeine Arbeitslosenquote beträgt weniger als 10 Prozent. Ausserdem fühlt sich die französische Jugend von der politischen Elite vernachlässigt. Genau wie nach der "Krise der Vorstädte" hat Ministerpräsident Dominique de Villepin immer noch keine Repräsentanten der Studentenbewegung empfangen. "Das Gesetz, wird in Kraft treten", wiederholte er mit Nachdruck in einem Fernsehinterview am Sonntag. "Wir haben darüber abgestimmt." Eine einvernehmliche Lösung scheint vor diesem Hintergrund nicht möglich.

Jugend gegen verkrustete Politik

Der Graben zwischen der französischen Jugend und der politischen Elite zeigt sich auch auf einem anderen Gebiet. Ein neues Gesetz steht im Parlament zur Debatte, welches das Herunterladen von künstlerischen Inhalten wie Musik oder Filmen aus dem Internet regeln will. Das Herunterladen ist unter den Jugendlichen sehr beliebt, die Regierung möchte dafür einen rechtlichen Rahmen schaffen. Doch das Resultat ist ein heilloses Durcheinander. Unter den Jugendlichen macht sich der Eindruck breit, die Parlamentarier seien gegen das Herunterladen. "Die Jugend will dieses verkrustete Frankreich nicht mehr länger unterstützen", analysierte die Zeitung "Le Monde" in einer Kolumne. "Sie wird sich bewusst, dass die Politik auf Kosten der französischen Jugend einen Schuldenberg von 100 Milliarden Euro angehäuft hat."

Scheitern wie einst Balladur?

Wie jedes Mal, wenn diese Jugend protestierend auf die Strassen geht, kommen Erinnerungen an den Mai 1968 hoch. Doch vor gar nicht allzu langer Zeit haben sich Ereignisse zugetragen, die den aktuellen Protesten viel ähnlicher sind als die 68er Bewegung. Im Jahre 1994 strauchelte der damalige bürgerliche Ministerpräsident Edouard Balladur über eine Vorlage, mit der er für junge Arbeitnehmer einen niedrigeren Lohn erlauben wollte als den gesetzlichen Mindestlohn. Die Studenten gingen auf die Strasse und Balladur, der bis dahin populär gewesen war, verlor im selben Jahr noch die Präsidentschaftswahlen an seinen Rivalen Jacques Chirac.

Heute ist die Situation ähnlich. Dominique de Villepin bewirbt sich neben seinem Parteipräsidenten und Innenminister Nicolas Sarkozy um den Sitz des Staatspräsidenten. In den vergangenen Tagen hat er laut Umfragen massiv in der Wählergunst verloren.