Es sei der Fluch des Landes, "auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben". Ahnte Franz Grillparzer, welchen Eiertanz man eineinhalb Jahrhunderte später um den offenen Hochschulzugang veranstalten würde? Die jüngste Universitätsgesetz-Novelle ist ein Fall notorischen Zauderns: An der allgemeinen Studienberechtigung wird nicht gerüttelt, aber man versucht verzweifelt, ihre negativen Auswirkungen auf den akademischen Betrieb zu mildern.
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Zum einen wird eine bürokratische Hürde errichtet (Voranmeldung vor der eigentlichen Inskription), in der Hoffnung, einige Bewerber (vor allem Deutsche) würden diese Frist versäumen. Zum anderen wird durch eine Einschränkung der zulässigen Wiederholungsprüfungen der selektive Charakter der Studieneingangsphase verschärft. Die ursprünglich angekündigte verpflichtende Studienwahlberatung wurde bereits auf später verschoben.
Gemäß der neuen Koalitionsphilosophie - das Gemeinsame über das Trennende zu stellen - sprachen beide Bildungsministerinnen hoffnungsfroh von einem "ehrlichen Kompromiss". Vielleicht sei es nicht der große Wurf, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Leider gibt es zwischen den Regierungsparteien nach wie vor keinen Konsens über diese Richtung. Immer noch glaubt die SPÖ, ein Ende der allgemeinen Studienberechtigung wäre ein Verrat an ihren Idealen.
Der offene Zugang ist ein markantes Beispiel für ein Politikmuster, das aufgrund seines früheren Erfolgs in der alten Form nicht mehr weitergeführt werden kann. Weil die Zahl der Erstinskribierenden - nicht zuletzt wegen des offenen Zugangs - so rasant gewachsen ist, benötigen wir nun eine Modifikation des bisherigen Musters, um die Qualität der universitären Ausbildung zu erhalten.
Die allgemeine Studienberechtigung war sinnvoll, solange nur ein kleiner Teil der Alterskohorte die Matura ablegte. Vor 100 Jahren waren das 2 Prozent, in den 1960er Jahren 5 Prozent, aber heute sind es 40 Prozent. Es ist kein Rückschritt, wenn wir unter diesen Umständen den Stellenwert der Matura ändern. Wir müssen ihren Berechtigungscharakter lockern und sie aus einer hinreichenden Voraussetzung für den Eintritt in jedes beliebige Fach jeder beliebigen Universität zu einer notwendigen Voraussetzung machen, die - je nach Fach - von zusätzlichen Kriterien ergänzt wird.
Es ist keine unzumutbare Beeinträchtigung ihrer Bildungschancen, wenn nicht alle Maturanten im Studium ihrer ersten Wahl unterkommen. Aber in diesem Fall müssen sie eine qualitätsvolle Alternative im Hochschulsystem finden. Das ist derzeit nicht gewährleistet. Der offene Zugang ist Schimäre, aber ein differenziertes System mit ausreichender Gesamtkapazität ist ein Gebot der Stunde. Diesem Ziel muss sich die Regierung widmen - und zwar nicht zauderhaft, sondern tatkräftig und mit ausreichenden Mitteln.
Hans Pechar ist Professor für Hochschulforschung an der
Universität Klagenfurt.