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"Uniform und Hakenkreuz waren plötzlich weg"

Von WZ-Korrespondent Ritt Goldstein

Europaarchiv

Rechte begannen als obskure Splittergruppe mit großen Ambitionen. | Stockholm. Die Schwedendemokraten (SD) - eine ausländerfeindliche Partei, deren Wurzeln in der einstigen Neonazi-Szene zu suchen sind - sorgen für Verunsicherung. Der Schock über den Einzug der 20 SD-Abgeordneten "ist im Öffentlichen Leben spürbar", bescheinigt der Jurist Eric Bylander, Professor an der Göteborg-Universität, gegenüber der "Wiener Zeitung".


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Bylander befürchtet, dass die Justiz künftig von den Rechtsextremen unterwandert werden könnte. In Asylfragen etwa soll in Zukunft ein Berufsrichter gemeinsam mit zwei oder drei Laienrichtern entscheiden. Bylander meint, dass die SD die Gerichte "als politische Arena nutzen" und bei Prozessen entsprechend agitieren könnten. Der Jurist sieht weiters eine große Gefahr darin, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die schwedische Justiz schwinden könnte - vor allem bei im Land lebenden Muslimen.

Die Skepsis ist nicht unberechtigt: Bereits im Oktober 2009 hat Jimmie Akesson - der Parteichef der SD - in Skandinaviens größter Zeitung "Aftonbladet" geschrieben, Muslime seien die "größte Gefahr", die Schweden von außen bedrohe. Erst vor kurzem hat ein SD-Funktionär mit der Behauptung für Schlagzeilen gesorgt, viele Menschen aus dem Mittleren Osten hätten ein Gen, das sie zu Gewalttätern werden lasse.

Die Schwedendemokraten wurden 1988 als Partei gegründet, ihr jetziger Chef Akesson trat 1995 ein - zu einer Zeit, als immer noch Nazi-Uniformen bei Parteiveranstaltungen zu sehen waren. Die Rechten wollten sich aber nicht mit der Rolle einer radikalen Splittergruppe begnügen und setzten alles daran, in den schwedischen Reichstag einzuziehen. Ein Ziel, das jetzt erreicht wurde. Heute behauptet die SD, eine "normale Partei" zu sein.

Diesen Anspruche konnten sie früher nicht erheben, wie Experten bestätigen: "Im Jahr 2001 haben die Schwedendemokraten plötzlich alle Uniformen, Hakenkreuze und Symbole, die die Wähler abschrecken könnten, verbannt", erinnert sich der Politologe Mikael Lundström von der Lund-Universität im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Partei sei es gelungen, sich einen seriösen Anstrich zu verpassen, an den Zielen habe sich aber wenig verändert: Ausländer sollen möglichst aus dem Land vertrieben werden, die Grenzen will man dichtmachen. Laut Lundström würden die SD Kriminalitätsstatistiken so präsentieren, als wären neu Zugewanderte zum Großteil an den in Schweden verübten Verbrechen schuld.

Die Ursachen für den Erfolg der SD liegen in der politischen Entwicklung Schwedens der letzten Jahre. Kritiker weisen darauf hin, dass der Wohlfahrtsstaat systematisch abgebaut worden sei, Steuersenkungen und Privatisierungen hätten die schützende Hand des Staates zurückgedrängt, Pensionen, Arbeitslosen-Unterstützung und soziale Projekte seien limitiert worden. Die Schwedendemokraten versprechen nun die Rückkehr zum alten Wohlfahrtsstaat - wobei in den Genuss der Beihilfen nur der kommen soll, der ein "echter Schwede" ist.