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Union im Osten in der Zwickmühle

Von Jürgen Petzold

Politik

Für die CDU könnte bei der erwarteten Bundestagswahl in Deutschland so mancher Traum im Osten zerplatzen: Denn die von der SPD enttäuschten Wähler wandern ganz offenbar nicht zu den Christdemokraten, sondern neigen vielmehr zur Linkspartei, die laut Umfragen stärkste Kraft in den neuen Ländern werden könnte.


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Jetzt sucht die CDU nach dem rechten Weg, um bei den Wählern zwischen Oder und Elbe wieder Boden gut zu machen. Denn ohne den Osten könnte die Mehrheit für eine schwarz-gelbe Koalition im Bund gefährdet sein.

Eine ostkonforme Kommunikationsstrategie und spezielle Plakatmotive sollen die Menschen jetzt zur CDU zurückholen. Doch ein Patentrezept gegen die Linkspartei und für den eigenen Erfolg hat die Partei nicht. In den neuen Ländern gebe es ein anderes Gefühl für Gerechtigkeit und Solidarität, beschreibt der sächsische Generalsekretär Michael Kretschmer das Problem der CDU in den neuen Ländern.

Der Dresdner Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) meint: "Es gibt einen Teil der Bevölkerung, der glaubt nicht mehr an einen Anpassungsprozess." Und in dieser Wählergruppe stünden entsprechend die Frage von Sozialleistungen, Verteilung und Gerechtigkeit im Vordergrund.

Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter sieht darin eine noch immer spürbare Folge des alten DDR-Systems: "Die Mentalität im Osten ist ausgesprochen sozialstaatlich geprägt." Unter dem SED-Regime habe es die Trennung zwischen Politik und Wirtschaft nicht gegeben, entsprechend sei der Staat als Zuteiler ökonomischer Leistungen wahrgenommen worden.

Die Erwartungshaltung der Ostdeutschen an Staat und Versorgungssysteme bringt die CDU in die Zwickmühle. Denn sie will einerseits nicht über die "Köpfe der Menschen hinwegreden", wie es Kanzlerkandidatin Angela Merkel formuliert. Aber sie kann andererseits auch schlecht dem ausgeprägten Sozialstaatsdenken in den neuen Ländern das Wort reden, will sie nicht programmatisch unglaubwürdig werden.

Die Union "kann nicht sagen, wir bieten den Ostdeutschen etwas anderes als den Westdeutschen", stellt Oberreuter fest. Und der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge sagt: "Auch im Osten wird eine solche gespaltene Wahlkampfstrategie nicht gut ankommen, denn heute sind die Medien so gestaltet, dass man sowohl im Osten wie im Westen diese Botschaften empfängt."

Somit bleibt der CDU kaum mehr, als mit den Wählern im Osten anders zu sprechen. Die Union müsse deutlich machen, dass bestimmte Maßnahmen sich nicht gegen die Menschen in den neuen Ländern richteten, mahnt Oberreuter.

Bei den Wahlkampfstrategen der Ost-CDU wird schon recht konkret gedacht: Auf den Wahlplakaten im Osten könne beispielsweise auf die Erfolge der CDU-regierten Länder Thüringen und Sachsen bei der PISA-Studie hingewiesen werden, überlegt der Thüringer Generalsekretär Mike Mohring.

Außerdem wollen die Wahlkämpfer in der Union stärker die ostdeutsche Herkunft der Kanzlerkandidatin hervorheben: "Wir müssen am Beispiel Angela Merkel deutlich machen, dass es eine Ostdeutsche geschafft hat, sich zur Kanzlerkandidatin durchzubeißen", schlägt der sächsische CDU-Spitzenkandidat Arnold Vaatz vor. Doch nach Oberreuters Einschätzung wird Merkels Ost-Identität im Wahlkampf nur begrenzt ziehen: "Das ist nicht mehr zündend, weil sie seit 1990 in bundespolitischen Funktionen steht." AFP