Debatte um Brüsseler Vorschläge zur Schaffung einer Bankenunion.
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Brüssel. Wichtig. Entscheidend. Zukunftsweisend. Begriffe wie diese werden vor Zusammenkünften der EU-Staats- und Regierungschefs oft bemüht. Und ebenso regelmäßig werden die hochgesteckten Erwartungen enttäuscht. Das könnte bei dem Gipfel, der am heutigen Donnerstag beginnt, ebenso der Fall sein. Allerdings sind die EU-Mitglieder mehr denn je unter Handlungsdruck. Sie müssen Zeichen setzen, die die Finanzmärkte beruhigen und helfen, die Risse quer durch Europa wieder zu kitten.
Mit drastischen Worten brachte das Problem Rainer Brüderle zum Ausdruck. Der Fraktionsvorsitzende der deutschen FDP und ehemalige Wirtschaftsminister fasste es so zusammen: "Die Welt lacht sich ja kaputt über die 27, demnächst 28 Gartenzwerge, die Weltpolitik machen wollen, aber nichts hinkriegen."
Dennoch sind auch bei diesem Gipfel keine weitreichenden Entscheidungen zur Schaffung einer Banken- oder Fiskalunion zu erwarten. Zu umstritten sind die Ideen für eine gemeinsame Schuldenhaftung oder neue Steuern, die als Einnahmen ebenfalls ins Unionsbudget fließen könnten. Trotzdem muss das Treffen dazu dienen, die Kluft zwischen Norden und Süden wieder zu verringern. Dieser Bruch zeichnet sich nämlich immer deutlicher ab. Nicht nur Griechenland kämpft mit seinen Schuldenproblemen, auch Spanien und Italien tun es.
Umgekehrt ist es nicht nur Deutschland, das auf die Umsetzung der vereinbarten Sparprogramme pocht. So erklärte der niederländische Premier Mark Rutte vor kurzem, dass die Unterstützung für Südeuropa nicht fortgesetzt werden könne, "wenn wir nicht sicher sein können, dass sich die südeuropäischen Länder eben auch daran halten und ihre Haushalte wieder in Ordnung bringen". Sein finnischer Amtskollege Jyrki Katainen verwies auf jene Länder, die bereits für ihre Bürger schmerzhafte Strukturreformen durchgeführt haben und dies nun auch von anderen Staaten erwarten.
Hilferuf aus Madrid
Die südeuropäischen Länder wiederum fordern mehr finanzielle Unterstützung. Spanien beispielsweise gerät immer mehr unter den Druck der Märkte: "Wir können uns zu den derzeitigen Preisen nicht für lange Zeit aus eigener Kraft finanzieren", klagte Ministerpräsident Mariano Rajoy über die hohen Zinskosten für frisches Geld. Er will daher beim Gipfeltreffen seine Kollegen auffordern, die Finanzmärkte mit den existierenden Instrumenten zu stabilisieren.
Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits klargemacht, worüber sie sprechen möchte - und noch mehr, was für sie keine Debatte ist. Die Einführung von Euro-Anleihen etwa lehnt sie vehement ab, gleichzeitig stellte sie aber neue milliardenschwere Hilfen in Aussicht. So könnten die Einnahmen aus der geplanten Steuer auf Finanztransaktionen in Maßnahmen fließen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone verbessern sollen.
Eine europaweite Einführung der Besteuerung ist zwar nicht in Sicht, auch wenn Deutschland, Österreich und Frankreich massiv dafür geworben haben. Doch wird es wohl eine Gruppe von Ländern geben, die damit vorpreschen. Dass Berlin und Wien den Gipfel auch dafür nutzen wollen, Unterstützer für dieses Vorhaben zu gewinnen, ist absehbar. Doch schon beim Thema Eurobonds gehen die Ansichten in Berlin und Paris weit auseinander.
EZB als Bankenaufseherin?
Unklar ist auch, auf welche Elemente einer möglichen Bankenunion sich die Länder einigen können. Leitlinien dafür hat Ratspräsident Herman Van Rompuy gemeinsam mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie den Vorsitzenden der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Euro-Gruppe, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker, erarbeitet. Ihre Pläne sehen eine gestärkte europäische Bankenaufsicht ebenso vor wie gemeinsame Sicherung der Einlagen für private Konten und eine von den Banken selbst finanzierte Rettungseinrichtung für strauchelnde Geldinstitute. Die Aufsicht - zumindest für die so genannten systemisch relevanten Großbanken - könnte der EZB übertragen werden. Geht es nach dem Quartett, müsste die Wirtschaftsunion, die ökonomische Integration in der EU überhaupt vertieft werden. Die Politik der einzelnen Länder sollte mehr als bisher auf die Ankurbelung der Wirtschaft sowie die Schaffung von Jobs ausgerichtet sein. Eine Wachstumsstrategie sei dringend notwendig. Zumindest in diesem Punkt kommt kein Widerspruch aus den Hauptstädten Europas.