Mitte Dezember, gleichsam als Weihnachtsgeschenk für die Universitäten, hat das Bildungsministerium eine "Punktation" vorgestellt, in der die Ziele der Regierung und die weitere Vorgangsweise für das wichtigste hochschulpolitische Reformvorhaben dieser Legislaturperiode, die neuerliche Reform der Universitätsorganisation, skizziert werden.
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- Die Universitäten sollen autonome, vollrechtsfähige Einrichtungen des Bundes werden, so wie derzeit die Akademie der Wissenschaften. Ihre Aufgaben sowie die Beziehungen zum Ministerium sollen über Leistungsverträge geregelt werden, und zwar in einer "ergebnisorientierten Form". Mehrjährige globale Finanzierungsverträge sollen die Freiheit der Forschung und Lehre garantieren.
- Bei der Universitätsleitung strebt das Ministerium eine Verteilung der Entscheidungsbefugnisse auf Universitätsrat, Rektor und Senat an. Der Universitätsrat soll eine Art Aufsichtsratsfunktion ausüben und aus Personen bestehen, die sowohl das Vertrauen des Senates als auch des Ministeriums genießen. Auf allen Führungsebenen soll das "Prinzip der doppelten Legitimation" eingeführt werden. Etwa könnte der Senat einen Vorschlag für die Bestellung des Rektors machen, während der Universitätsrat die Entscheidung trifft.
- Die Mitbestimmung von Studenten und Mittelbau soll auf der Ebene des Senats konzentriert werden. Die Studenten sollen hauptsächlich bei Studienfragen mitwirken. Eine gesetzliche Regelung der Fakultätsgliederung und der Kommissionen wird es nicht mehr geben, die Universitäten sollen autonom eine "interne aufgabengerechte Gliederung" vornehmen.
- Die vollrechtsfähigen Universitäten werden zu Arbeitgebern ihres Personals. Für Neuzugänge sind nur noch Angestelltenverträge vorgesehen. Schon ab Herbst 2001 soll eine Dienstrechtsnovelle wirksam werden, die als Vorbild für spätere Kollektivvertragsregelung an autonomen Universitäten dienen soll. Angestrebt wird ein vierstufiges Karrieremodell, wobei für die ersten drei Sprossen der Karriereleiter (wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universitäts-Assistent und Vertragsprofessor) nur noch befristete Verträge vergeben werden. Daran anschließend ist die Möglichkeit eines Universitäts-Professors mit einem unbefristeten Dienstverhältnis vorgesehen.
- Die Studiengebühren, die ab Herbst 2001 eingeführt werden und zunächst Einnahmen des Bundes sind, werden mit Beginn der Vollrechtsfähigkeit zu Einnahmen der Universitäten. Innerhalb einer gesetzlichen Bandbreite werden sie die Höhe der Gebühren selbst festlegen können, sie kann auch je nach Studienrichtung unterschiedlich sein. Die Regierung will am "freien Hochschulzugang für alle Studierenden an allen Studienorten" festhalten. Aber in allen Studienrichtungen wird eine Eingangsphase "mit Orientierungs- und Steuerungscharakter" eingerichtet werden.
- Das neue Organisationsrecht soll ab 1. Oktober 2002 für alle Unis gelten, eine Umsetzung in Tranchen wie beim UOG 1993 ist nicht geplant. Eine aus 50 Experten bestehende "Lenkungsgruppe" wird das weitere Vorgehen koordinieren.
Es ist evident, dass bei erfolgreicher Umsetzung dieser Reformpläne für die österreichischen Universitäten eine neue Ära beginnt. Dementsprechend massiv sind die Reaktionen der betroffenen Gruppen ausgefallen. Die Gegner der Reform werfen dem Staat vor, sich seiner hochschulpolitischen Verantwortung zu entledigen und sprechen von einer "Privatisierung" der österreichischen Hochschulen. Das hält freilich einer näheren Betrachtung nicht stand.
Zunächst kann man davon ausgehen, dass die Hochschulen gemeinnützige Aufgaben erfüllen. Gewinnorientierte Unternehmen sind im Hochschulbereich nicht völlig ausgeschlossen, aber sie nehmen eine marginale Stellung ein und finden sich nur in engen Nischen. Bei den Kernaufgaben von Universitäten versagt der Markt; marktfähig sind Güter dann, wenn sowohl Nutzen wie Schaden internalisiert werden können, wenn also der Eigennutz zu seinem Recht kommt, ohne dass das Gemeinwesen daran Schaden nimmt. Ist das nicht der Fall, dann ist das Gewinnstreben kein geeigneter Motor, um die Gesellschaft mit dem betreffenden Gut zu versorgen. In diesem Fall benötigt die Gesellschaft eine auf gemeinnützige Ziele zugeschnittene Form der Aufgabenbewältigung.
In Europa schreibt man üblicherweise nur dem Staat die Fähigkeit und Bereitschaft zu gemeinnützigen Maßnahmen zu. Dementsprechend ist hier Bildung im allgemeinen und die Erhaltung der Hochschulen im besonderen nicht nur eine gemeinnützige, sondern zugleich eine staatliche Verantwortung. Hingegen gibt es in den USA eine starke Tradition der Zivilgesellschaft, die sich aus einem Misstrauen gegen einen zu mächtigen Staat speist. Viele Aufgaben im Kultur- und Sozialleben, die in Europa der Staat erfüllt, werden dort vom privaten Sektor wahrgenommen; die privaten Hochschulen, vor allem die privaten Eliteuniversitäten sind das in unserem Zusammenhang wichtigste Beispiel.
In Europa, wo eine starke Tradition der Zivilgesellschaft fehlt, gibt es fast nur öffentliche Hochschulen. Das wird auch nach der geplanten Organisationsreform so bleiben. Freilich können auch die vom Staat übernommenen Aufgaben auf sehr unterschiedliche Weise organisiert werden. Hier setzt die Diskussion über Vollrechtsfähigkeit an. Bislang agieren die österreichischen Universitäten im staatlichen Wirkungsbereich wie Behörden. Die Aufgaben von Behörden und die Art, wie sie ihre Aufgaben erfüllen, sind durch Gesetze und Verordnungen definiert, was es sehr schwer macht, Eigeninitiative zu entwickeln. Sie zeichnen sich in hohem Maß durch regelgebundenes Verhalten aus und werden im Rahmen der Kameralistik finanziert.
Seit den 80er Jahren geht der internationale Trend dahin, die unternehmerische Kapazität der öffentlichen Hochschulen zu stärken. Als Vorbild dieser Reformen kann die öffentliche Forschungsuniversität in den USA betrachtet werden. Diese Universitäten befinden sich im Eigentum eines Staates und erhalten von diesem eine öffentliche Basissubvention. Aber ungeachtet dessen agieren sie als gemeinnützige Unternehmungen auf diversen Märkten, auf denen sie auch in Konkurrenz zu privaten Universitäten stehen (wobei sie keinesfalls prinzipiell schlechter als diese abschneiden). Einige europäische Länder (z.B. Niederlande, Schweden) haben in den 80er und 90er Jahren ihre öffentlichen Hochschulsysteme dem amerikanischen Muster angenähert. Mit der Organisationsreform wird auch das österreichische Hochschulsystem diese Richtung einschlagen.