Seit Mai kann man sich am Flughafen Wien auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen lassen, was wieder häufigeres Reisen ohne Quarantäne möglich macht - die "Wiener Zeitung" machte den Selbstversuch.
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Leere Gänge. Unbesetzte Check-in-Schalter und stille Warnhinweise zu den Corona-Maßnahmen auf jeder Leuchttafel und jedem Plakat, von denen sonst lachende Feriengäste strahlen. Geschäfte und Lokale sind geschlossen. Auf den Anzeigen, die man als bewegtes Bild von bis zu 700 Abflügen und Ankünften kennt, verharren lediglich eine Handvoll in statischer Position. Von Frankfurt oder Düsseldorf, nach Sofia, Minsk oder Doha. Mit etwa 500 Passagieren statt 100.000 pro Tag. Nur vereinzelt begegnen einem Bauarbeiter mit Schutzmaske oder ein Polizist. Noch wirkt der Flughafen Wien wie eine Geisterstadt. Wie eine real gewordene Szene aus einem Katastrophenfilm.
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Das könnte sich nun bald ändern. Denn seit Deutschland die vollständige Grenzöffnung zu Österreich, Frankreich und der Schweiz für 15. Juni angekündigt und bereits mit Lockerungen begonnen hat, rückt Reisen wieder in das Blickfeld der Möglichkeiten. Länder wie Österreich, Tschechien, die Slowakei und Ungarn zogen mit ähnlichen Ankündigungen nach. Was Flugreisen betrifft, wird eine zweiwöchige Quarantäne nach der Ankunft zwar vermutlich noch länger Usus bleiben. Der Nachweis, innerhalb der vergangenen vier Tage negativ auf das Coronavirus getestet worden zu sein, macht die zwei Wochen in Isolation jedoch hinfällig - und damit Reisen in fremde Länder wieder attraktiv.
Bis zum Attest in Quarantäne
Seit 4. Mai bietet der Flughafen Wien einen solchen Nachweis für all jene, die einen Wohnsitz in Österreich oder einen gültigen Aufenthaltstitel haben, in Form eines PCR-Tests auf dem Gelände an. Er wird von den Ärzten des Health Center Vienna Airport, das für gewöhnlich als Fachärztezentrum von den Flughafenmitarbeitern genutzt wird, durchgeführt. Nach etwa drei bis sechs Stunden liegt das Ergebnis vor, das den Betroffenen, die sich bis dahin in häusliche Quarantäne oder ins Flughafenhotel begeben müssen, per Mail zugeschickt wird.
Doch was verbirgt sich hinter dem sperrigen Begriff des molekularbiologischen PCR- oder Polymerase-Kettenreaktion-Tests? Wie funktioniert dieser genau und vor allem: Was wird mit einem dabei gemacht? Die "Wiener Zeitung" startet den Selbstversuch und begibt sich vom Terminal - den Hinweisschildern folgend - auf die Suche nach dem Health Center Vienna Airport.
230 Personen pro Tag
Im Office Park 3, auf dem Areal gegenüber des Terminals, werde ich fündig. Mund-Nasen-Schutz aufgesetzt, die Glastüre schiebt sich auseinander. Unmittelbar dahinter zeigt mir ein Dreieckständer, wo ich mich anmelden muss. Und auch hier sind nahezu alle Rundtische unbesetzt, an denen man in ein Formular entweder in deutscher oder englischer Sprache seinen Namen, seine Telefonnummer, Adresse und E-Mail-Adresse eintragen muss. Die wenigen anderen in dem kühl wirkenden Raum, auf dessen Boden Markierungen vor dem Anmeldeschalter ans Abstandhalten erinnern, sind vor allem beruflich auf der Durchreise. Von Italien oder Deutschland kommend, weiter nach Prag oder Bratislava.
Bis zu 230 Personen lassen sich hier täglich testen, wird mir später Günther Ofner, Vorstand der Flughafen Wien AG, erklären. Manchmal seien es auch um viele weniger, nur rund 100. Ein Test kostet 190 Euro und ist mit Bankomatkarte im Health Center Vienna Airport zu bezahlen. Mit dieser Summe werden laut Flughafen die Aufwände für die organisatorische Infrastruktur und jene für Arzt und Labor abgedeckt. Erst dann wird getestet.
Also gehe ich mit meinem Anmeldeformular zurück in die Eingangshalle des Office Park 3, hin zum Aufzug. Oben, im vierten Stock, wird mir dann doch etwas mulmig. Noch dazu, weil freilich auch bei diesem Schalter, bei dem ich einen Code für das spätere Öffnen des Attests bekomme, nur wenige vor mir warten - und ich mich schneller als gewollt im Ordinationsraum wiederfinde. Auf einem Sessel, der verloren in dessen Mitte steht. Der Arzt, von dem ich bis heute nur die Augen kenne, bereitet bereits einen geschätzt 20 Zentimeter langen, an ein überdimensioniertes Wattestäbchen erinnernden Holzstab vor. Er trägt Maske und Visier, Handschuhe und einen Schutzmantel. So stahlblau wie das Leuchten der Deckenlampe in meinen Augenwinkeln. Vor ihm beschriftete Ampullen.
Ich soll in meine Maske husten, sagt er, von ihm weggedreht, und unterdrücke den Reflex, mir die Hand vorzuhalten. Das hätte ja ohnehin keinen Sinn. Jetzt Maske hinunter, Mund auf, "aaa" sagen - und bewusst nicht auf die Handschuh-Hand schauen, wie sie den Holzstab immer tiefer in meinen Rachen bohrt. Ich würde gerne husten und schlucken gleichzeitig, kann aber nicht. Nur drei Sekunden, sagt der Arzt. Ich zähle und bin schon bei zehn. Dann endlich ist der Stab wieder weg, nur das Kratzen im Hals bleibt noch, dass es mir die Tränen in die Augen treibt. Aber wir sind fertig, und der Nächste kann auf den Sessel.
Mein Abstrich wird direkt ins Labor geschickt, das mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) feststellt, ob sich die molekulare Feinstruktur der Erbsubstanz des Coronavirus Sars-CoV-2 in meinen, vor dem Test ausgehusteten Tröpfchen befindet. Im Zuge der Kettenreaktion wird das wenige genetische Material der Probe in mehreren Zyklen vervielfältigt. Mithilfe fluoreszierender Stoffe sieht man, ob die gesuchten Gensequenzen des Virus vorliegen oder nicht.
Behörde nimmt Kontakt auf
Der PCR-Test weist somit nur das Vorhandensein des Virus nach und lässt nicht verlässlich auf Immunität schließen. Ein negatives Ergebnis schließt die Möglichkeit einer Infektion auch nicht vollständig aus, der Test am Flughafen ist aber laut diesem behördlich anerkannt. Zeigt der Test keine Coronaviren an, ist eine Quarantäne nach der Ankunft damit beendet - ist das Ergebnis hingegen positiv, übermittelt es das Labor an die Gesundheitsbehörde, die mit dem Betroffenen Kontakt aufnimmt. Wie viele Tests bisher positiv waren, wisse man am Flughafen daher nicht, heißt es.
Ich sitze schon längst wieder vor meinem Computer, als tatsächlich nach etwa vier Stunden die Worte "Corona" und "Test" als Betreff einer E-Mail in meinem Posteingang aufflackern. Und obwohl ich keine Symptome hatte, suche ich dann doch mit zart aufsteigender Panik nach dem verschwindend kleinen Kreuzchen auf dem Attest. So ein Glück, da ist es ja: bei "negativ".
Anzahl der Tests begrenzt
Sollten die Maßnahmen-Lockerungen voranschreiten und Reisen wieder an Fahrt gewinnen, so könnten die PCR-Tests auf dem Flughafen allerdings nur begrenzt damit mithalten. "Wir könnten die Anzahl der Tests vielleicht auf 800 bis 1000 pro Tag steigern, aber zehntausende wären derzeit nicht möglich", sagt Ofner.
Daher sei es heute genauso wie zum Zeitpunkt des Lockdowns Mitte März unerlässlich, die Schutzmaßnahmen wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes oder das Abstandhalten zu beachten, sagt Ofner. Nur so könne man einer neuerlichen Verbreitung des Virus entgegenwirken, bis es eine Impfung dagegen gibt - und den Umsatzverlust des Flughafens reduzieren. Im ersten Quartal dieses Jahres verringerte sich dieser um neun Prozent, und das Nettoergebnis brach um mehr als ein Drittel ein. Aufgrund weltweiter Reisebeschränkungen und Flugstreichungen waren um rund 19 Prozent weniger Passagiere unterwegs - im April so gut wie gar keiner.