Ein "mutiger Sprung nach vorne" ist für den Schweizer Chemie-Nobelpreisträger Richard Ernst die Entlassung der Universitäten in die Vollrechtsfähigkeit. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) betonte der Wissenschafter die Wichtigkeit der Autonomie, "nicht als Selbstzweck, sondern um die Ziele und Aufgaben der Universitäten zu erreichen". Zu diesen zählen neben der Lehre und der Forschung vor allem auch die Rolle als Ratgeber. "Universitäten zeigen auf, wie sich eine Gesellschaft entwickeln kann", ist Ernst überzeugt.
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Genau diese Aufgabe müsse den Menschen näher gebracht werden, damit diese sehen, dass es sich lohnt die Universitäten zu unterstützen, so der Nobelpreisträger weiter. Außerdem könnten so junge Menschen wieder von der Sinnhaftigkeit der universitären Studien überzeugt werden. "Viele sind im Moment der Ansicht, dass man beim Forschen den Bezug zur Realität verliert, weil man nur im Keller sitzt". Um diese Anforderungen erfüllen zu können sei die Reform der Universitäten nötig. In Österreich habe es schon länger einen "strukturellen Nachholbedarf" gegeben, so der Wissenschafter.
In der Vergangenheit seien viele österreichische Forscher zum Exportartikel geworden, weil sie sich an ausländischen Universitäten mehr Chancen erhofft haben. "Auch an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (an der Ernst Professor für Physikalische Chemie ist, Anm.) haben wir Wissenschafter aus Österreich", erläutert Ernst. Überhaupt seien 75 Prozent der Forscher an der ETH Zürich aus dem Ausland.
Diesen Punkt sprach auch Ministerin Gehrer an, denn mit der Entlassung der österreichischen Universitäten in die Vollrechtsfähigkeit werde auch die Berufung von Professoren internationalisiert. "Wir haben bereits mit dem neuen Uni-Lehrer Dienstrecht die Grundlagen für Mobilität und Flexibilität geschaffen", so Gehrer. Durch die Vorgabe, dass Bewerbungen auch von ausländischen Experten bewertet werden müssten, werden die Berufungsverfahren internationalisiert. Außerdem habe man so die "Hindernisse der Pragmatisierung" aus dem Weg geräumt.
Die Verteilung der Gelder
Die Universitätsreform werde nun die Universitäten auf die Schaffung des Europäischen Hochschulraumes, der bis 2010 entstehen soll, vorbereiten. Mit diesem sollen die europäischen Unis weltweit konkurrenzfähig werden, ist Gehrer überzeugt. Vor allem auch in der Forschung werde es erhebliche Neuerungen geben: Durch die neue Drittmittelregelung können alle Wissenschafter über Personal- und Mitteleinsatz ihrer Projekte entscheiden können und die Universitäten ihre Patente selbst verwerten.
"Wir haben in Österreich bereits viel für die Forschung getan", so die Bildungsministerin weiter, "und das soll auch weiterhin so bleiben". Insgesamt wolle man in Zukunft 2,5 Prozent des BIP für Forschung aufwenden. Besondere Förderungen können die Universitäten vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung für Projekte von jungen Forschern und Forscherinnen beantragen.
Ernst schlug vor, die Gelder leistungsorientiert zu verteilen. Projektbezogene Förderungen würden bei der Erfolgskontrolle helfen. "So könnte man an den Universitäten eine Wirtschaftlichkeit erreichen, ohne in die Abgründe der freien Marktwirtschaft zu schlittern", so der Nobelpreisträger. Gehrer betonte jedoch, dass "die Universitätsreform kein Sparprogramm" sei. "Die Universitäten verfügen über gesicherte Globalbudgets." Sie regte allerdings die Erstellung einer Wissensbilanz an, "um aufzuzeigen welcher Wissenszuwachs an einer Universität erreicht worden ist". In keinem Fall werde eine Erhöhung des Studienbeitrages erwogen, betonte die Ministerin. "Die Finanzierung der Universitäten ist noch auf Jahre gesichert."
Zukunftsverweigerung?
Auf die Frage warum viele Universitäten sich gegen die Vollrechtsfähigkeit wehrten zitierte Ernst George Bernard Shaw, der sagte, dass Freiheit auch Verantwortung bedeute und vor jener hätten einige Angst. "Kritik am Detail ist in Ordnung aber das Grundprinzip sollte unumstritten sein", so Ernst.
Ministerin Gehrer erläuterte, dass die vielen Stellungnahmen zum Gestaltungsvorschlag der Autonomie der Universitäten zeigen, dass die Hochschulen an der Reform interessiert sind und sie aktiv mitgestalten wollen. "Wenn Argumente gut begründet sind, dann werden sie in die Diskussion einbezogen. Aber sich einfach dagegen zu wehren ist Zukunftsverweigerung".
Eigene Medizin-Unis sollen in Kooperation bleiben
Die Bildungsministerin bestätigte bei der Pressekonferenz die Schaffung einer Planungsgruppe für die Gründung eigener Medizin Universitäten. Diese sollen aber in Kooperation mit den anderen Hochschulen bleiben.
"Im Universitätsgesetz wollen wir keine Fakultäten festschreiben, um den Hochschulen einen möglichst großen Freiraum zu geben", erläuterte Gehrer die Überlegungen. Für die medizinischen Fakultäten hätten allerdings eine Reihe von Sonderbestimmungen festgeschrieben werden müssen. Deshalb sei eine Ausgliederung der medizinischen Universitäten überlegt worden. "Es wird aber ein Kooperationsrat eingerichtet werden", damit die Medizin-Unis nicht extra eigene naturwissenschaftliche Fakultäten einrichten, die bereits an anderen Universitäten bestehen.