Zum Hauptinhalt springen

Universitäten flexibler als ihr Ruf

Von Barbara Ottawa

Wissen

Die Gänge sind im Vergleich zum normalen Semesterbetrieb menschenleer. In einigen Hörsälen finden Sommerkurse statt, andere StudentInnen nützen die Sommerferien, um Prüfungen zu machen oder Bibliotheken aufzusuchen. Doch hinter den Kulissen wird bereits auf Hochtouren an der Umsetzung des am 11. Juli vom Nationalrat beschlossenen Universitätsgesetzes (UG) 2002 gearbeitet. Die "Wiener Zeitung" sprach mit drei Rektoren - Georg Winckler von der Universität Wien, Christoph Badelt von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und Werner Hasitschka von der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien - über nächste Schritte, die an ihren Universitäten zur Umsetzung der Reform gesetzt werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der vom Ministerium vorgegebene Zeitplan ist klar: Bis 30. November müssen die Gründungskonvente der Universitäten konstituiert sein, der 31. Jänner ist die Frist für die Wahl der von den Hochschulen in den Uni-Rat entsandten Mitglieder. Mit Wintersemester 2003 müssen die neuen Rektoren ihr Amt antreten und ein Monat später die Senate.

Am 1. Jänner 2004 verlieren das Universitätsorganisationsgesetz (UOG) und das Kunstuniversitätsorganisationsgesetz (KUOG) aus 1993 ihre Geltung. Bis zum 30. April 2006 müssen die Entwürfe für die ersten Leistungsvereinbarungen zwischen Bildungsministerium und Universitäten vorliegen. Dieser Fahrplan gilt auch für die neu zu schaffenden Medizinuniversitäten und die Kunstunis.

"Der Zeitrahmen sollte ausreichen", ist Rektor Winckler von der Universität Wien überzeugt. Auch Rektor Badelt von der WU Wien sieht kein Problem mit dem Zeitlimit: "Wenn man bedenkt, dass die Entscheidungen in Kollegialorganen fallen, ist der Rahmen knapp gewählt. In der Wirtschaft sind eineinhalb Jahre allerdings eine lange Zeit für eine Umorganisation. Es ist also kein schlechter Kompromiss."

Als Wirtschaftswissenschafter plädiert auch Winckler für die rasche Umsetzung von Änderungen. Der Übergang vom UOG75 ins UOG93 habe an der Uni Wien sechs Jahre gedauert und das habe die Universität "teilweise gelähmt".

Ein Sonderfall und damit verbunden auch kritischer dem Zeitlimit gegenüber ist die Musikuni Wien, die erst sehr spät in das KUOG 93 "gekippt" ist und zum Teil noch in der Implementierungsphase steckt. "Wir müssen ab sofort und über das nächste Jahr sowohl das KUOG 93 fertig implementieren, als auch den Zeitrahmen des UG 2002 erfüllen", erläutert Rektor Hasitschka die Problematik. "Es ist ein überlappender Reformprozess. Unsere Funktionäre sind seit drei Jahren permanent in Reformüberlegungen, ohne die Istsituation einer Reform evaluieren zu können", so Hasitschka.

Für eine Verlängerung der Übergangsfrist, wie sie noch in der Ministerratsvorlage des UG vorgesehen gewesen sei, sieht Hasitschka keine Chance mehr. "Der Zug ist abgefahren." Die Musikuni werde aber das Bestmögliche tun, das UG 2002 und auch die Reste des KUOG 93 im nächsten Jahr zu implementieren. So zeige sich bei Reformen immer wieder , wie flexibel die österreichischen Universitäten seien, "ganz anders als ihr Ruf", betont Hasitschka.

Völlig neue Strukturen oder alte beibehalten?

Laut UG 2002 ist es den Universitäten freigestellt, wie sie ihre innere Struktur gestalten. Sowohl Badelt als auch Winckler sehen eine neue Strukturierung ihrer Uni als eine Möglichkeit an, jedoch nur nach entsprechender Planung. "Eine Implosion der Uni macht keinen Sinn", betont Winckler. "Man kann bestehende Strukturen nicht einfach zerschlagen, weil andere vielleicht besser sind." Neue Strukturen sollten nur eingeführt werden, wenn eine bestimmte Sicherheit gegeben sei, dass sie eine Verbesserung bringen.

An der WU werden bereits Ende des Jahres erste Vorschläge für eine neue Struktur vorliegen. "Wir haben den Reformprozess schon etwas vorweggenommen", erläutert Badelt. Bereits im Herbst des letzten Jahres habe man das Universitätsentwicklungsprojekt ALFA (Autonomie in Lehre, Forschung und Administration) gestartet, denn die Grundideen des neuen Gesetzes seien ja schon damals bekannt gewesen. Bereits im Dezember sei die Ausschreibung für eine externe Betriebsberatungsfirma erfolgt.

Welches Strukturmodell die WU Wien für die Zukunft anstrebe könne er, Badelt, deshalb noch nicht sagen. "Die interne Struktur muss sich auch an dem orientieren, was von außen verlangt wird und nach innen muss sie leistungsorientiert sein." So müssten etwa Bereichsverantwortliche gefunden werden, mit denen dann Verträge geschlossen werden können. "Das spricht meiner Ansicht nach gegen den Status quo weil jetzt viele Einzelabteilungen autonom sind", so der WU-Rektor.

Rektor Winckler ist ebenfalls für eine Neuorganisation an der Uni Wien offen, die Entscheidung darüber werden aber die neuen Gremien zu treffen haben. "Die Erstellung des Organisations- und Entwicklungsplanes ist eine Kompetenz, die die neuen Organe wahrnehmen müssen", so Winckler - mit Unterstützung der UOG93 Organe, um den Zeitplan einzuhalten. Zunächst müssten aber die Gründungskonvente eingerichtet werden, wofür das Ministerium eine Wahlordnung erlassen müsse. Ein neues Rechnungswesen und der Aufbau von Evaluierungssystemen seien weitere große Aufgaben, erläutert Winckler die nächsten Schritte.

An der Musikuni werden die bestehenden Strukturen jedoch weitestgehend erhalten bleiben. Nach einem langen Streit hat die Musikuni erst vor kurzem ihre innere Struktur - die mit Hilfe externer Experten und durch die Evaluierung verschiedenster internationaler Modelle zustande gekommen ist - im Ministerium durchsetzen können. "Ohne Not werden wir sie nicht einfach wieder aufgeben", sagt Hasitschka.

Probleme noch mit Leistungsvereinbarungen

"Die Universität gewinnt durch das Gesetz", ist Winckler überzeugt. Die Kameralistik und viel Bürokratie fallen weg, dafür erlangen die Universitäten mehr Autonomie. Dem stimmt auch Badelt zu. Das UG sei "eine große Chance".

Auch Hasitschka sieht den Wegfall der Kameralistik in budgetären Angelegenheiten als sehr positiv. "Das hätte man aber auch innerhalb des UOG und des KUOG machen können", ist der Musikuni-Rektor überzeugt. Im jetzigen Gesetz seien die Universitäten weiter vom Ministerium durch Leistungsvereinbarungen und die Rechtsaufsicht, die das Ministerium hat, abhängig und zusätzlich dazu noch vom Universitäts-Rat.

Schwierigkeiten sehen Winckler, Hasitschka und Badelt bei den Leistungsvereinbarungen. "Wie evaluiert man künstlerische Leistungen?", fragt Hasitschka. Wenn es wirklich einen Dialog über die Leistungsvereinbarungen gibt, dann ist das in Ordnung. Doch es besteht eine gewisse Angst, dass einfach Evaluationskriterien von oben aufgesetzt werden", so der Musikuni-Rektor.

"Ich bin neugierig, ob es eine leistungsorientierte Budgetverteilung zwischen den Unis geben wird", sagt Badelt. Die WU mit zehn Prozent der Studierenden und nur vier Prozent des Budgets habe eine solche Maßnahme immer gefordert.

Winckler hofft, dass das Ministerium wirklich von der Inputsteuerung zur Outputsteuerung übergehen wird und die Leistungen der Universitäten nur bewertet, ohne jedoch Einfluss auf deren Erbringung nehmen zu wollen.

Überzeugt ist Winckler auch weiterhin nicht von der Sinnhaftigkeit der Schaffung eigener Medizinuniversitäten. "Es muss jetzt eine Phase der intensiven Kooperation zwischen der Universität Wien und der Medizinuniversität Wien geben, damit es zu keiner Kostenexplosion kommt und zu keinem Bruch in Lehre und Forschung", so der Rektor. Seine Hoffnung bleibe weiterhin, mittel- oder langfristig zu einer Verbundlösung zu kommen. Dass diese nicht angestrebt wurde, zeuge von einem "Mangel an juristischer Fantasie auf Seiten des Gesetzgebers".

Universitäten sind kein Wirtschaftsbetrieb

"Die Kombination von unternehmerischem Denken und qualitativ hochwertiger Forschung und Lehre ist eine Herausforderung und keine leichte Aufgabe", sagt Badelt. Auf keinen Fall dürfe an den Universitäten eine "primitive Ökonomisierung" stattfinden. So sehen das auch seine zwei Kollegen.

Die Frage nach Sponsoring wird sich in Zukunft verstärkt für Universitäten stellen. Alle drei Rektoren betonten im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zwar, dass bereits jetzt mit der Requirierung von Drittmitteln gearbeitet wurde, doch im neuen UG 2002 stehen den Hochschulen weitaus mehr Möglichkeiten zur Verfügung.

"Im Rahmen des ALFA Programmes haben wir auch einen Sonderausschuss, der sich mit der langfristigen Unifinanzierung beschäftigt", so Badelt. Außerdem werde er bald eine Marketingstrategie offen legen. Wenn die Universitäten leistungsstärker und effizienter werden, werde es sicher leichter, Sponsoren zu finden. Es sei allerdings Aufgabe des Rektors zu schauen, dass die Uni von der Wirtschaft nicht vereinnahmt wird, betont Badelt.

Rektor Winckler ist überzeugt, dass die Unis je besser sie sind, desto unabhängiger werden sie auch gegenüber Drittmittelgebern sein. "Universitäten dürfen nicht erpressbar werden."

An der Musikuni sei Sponsoring insofern ein Problem, als "Kunstuniversitäten auch offen sein müssen für kreative Projekte, die zur Zeit noch keinen Abnehmer finden", erläutert Hasitschka. Andere Universitäten hätten es da leichter. "Sponsoring funktioniert in den USA gut, da dort ein großer Markt vorhanden und die Spendenmentalität völlig anders ist", betont der Musikuni-Rektor. Vor allem in Österreich sei die Hochblüte der Kunstmäzene schon lange vorbei.

Kein ruhiger Herbst?

"Für uns ist die mangelnde demokratische Mitbestimmung im UG 2002 ein Riesenproblem", schildert Hasitschka. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen völlig ruhigen Herbst geben wird."

"Wir müssen schauen, dass die Motivation des Mittelbaus erhalten bleibt", so Winckler. Die Änderung der Einstellung werde lang dauern und erst nach der Abwicklung der ersten formalen Schritte stattfinden, ist auch Badelt überzeugt. "Es wird viel Motivations- und Überzeugungsarbeit erforderlich sein, um Gruppen, die Formalrechte verloren haben, im Boot zu behalten", so Badelt. "Mein Angebot als Rektor ist, dass wir keine Konzepte hinter verschlossenen Türen machen, die Leute können mitgestalten und werden ernst genommen."

Während Badelt überzeugt ist, dass die StudentInnen von der Implementierung der Reform nicht betroffen sein werden - "sie werden höchstens Positives bemerken" - sieht Hasitschka einen direkten Zusammenhang zwischen der Auswirkung der Reform auf die Lehrenden und dem Unterricht.