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Univie, uniwas?

Von Franciska Göweil

Politik
Ein Geburtstagsständchen für die Universität Wien.
© Magdalena Possert

Die Uni ist nicht mehr, was sie einmal war. Und mit Blick auf die 650 Jahre, die sie hinter sich hat, ist sie das nicht mehr im Guten, aber auch nicht im Schlechten. Doch was gibt es eigentlich zu feiern? Ein etwas anderes Geburtstagsständchen.


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Gedacht und konstruiert als Mekka des Wissens und der Diskussion, ein Zufluchtsort für Neugierige. Von der antiken Schule der Philosophen und Juristen über die Zulassung von Frauen in die männerdominierte Ausbildung bis hin zum Ausgangspunkt für tatkräftige Revolutionen. Die Universität hatte immer einen Platz in der Gesellschaft, der den Widrigkeiten des Zeitgeschehens wacker standhielt, Platz für Reflexion bot und das Zuhause angehender Absolventen war – eine alma mater.

Von der romantischen Mütterlichkeit ist nicht mehr viel übrig geblieben. Kalt und starr steht sie da, ein potemkinsches Dorf mitten in der Wiener Innenstadt. Ihr imposantes Aussehen und den elitären Ruf hat sie sich erhalten, doch blickt man über den malerischen Arkadenhof und die marmornen Stufen hinweg, sieht man das zerbrochene Holzdörfchen.

Verblasster Glanz und ECTS-Punkte

Der Glanz von leidenschaftlichen Vorlesungen, engagierten Professoren und dem Gefühl, willkommen zu sein, ist längst verblasst. Studienanfänger, die mit einer solchen Erwartung beginnen, werden enttäuscht und müssen bitter feststellen, dass eine Meinung oder ein Standpunkt keine ECTS-Punkte bringt, sondern nur die sture Wiedergabe von Lehrstoff in Form von Arbeiten, Knock-out-Prüfungen und Multiple-Choice-Tests.

Die Uni wird zur Schule. Der, der erwartet, dass er nach Jahren des Pflicht-Vokabel-Lernens die Freiheit an der Universität genießen kann, wird enttäuscht. Du musst nicht die scharf formulierten, gut durchdachten Fragen nach der Vorlesung oder Übung stellen (meistens ist dafür sowieso keine Zeit mehr, schließlich warten draußen die nächsten 100 Studenten), du sollst nur brav ein Schema wiedergeben und wirst dann mit Punkten belohnt. Die Möglichkeit besteht sogar, besonders in den großen Studiengängen, dass dein Professor nicht einmal anwesend ist, um sie zu beantworten – Assistenten, kaum älter als du selbst, sollen herhalten.

Von Moodle bis Budgetloch

Neben der Verbitterung, die einsetzt nach dem fünften uninformierten Mitarbeiter, dem dritten Univis Zusammensturz, der zehnten Überlappung von Lehrveranstaltungen, dem verlorenen Kampf gegen die uneinsichtige Bürokratie der Behörde Uni Wien, der hoffnungslosen Suche nach dem Logout-Symbol in Moodle, den zahlreichen Begegnungen mit dem dreckigen Boden in überfüllten Hörsälen und vielem mehr, muss man der Abneigung gegen die Universität doch etwas entgegenhalten.

Es stimmt, die Universität Wien ist die größte Universität Österreichs mit über 90.000 Studenten, laut dem Entwicklungsplan (Stand 2010) liegt das Betreuungsverhältnis von Studenten zu Professoren bei 1:226 und das Budget pro Student bei 5086 Euro.
Die Ludwig-Maximilian-Universität München, eine vergleichsweise große Universität, hat etwa 40.000 Studenten, ein Betreuungsverhältnis von 1:58 und ein Budget pro Student von 8816 Euro.

Früher war’s doch besser?

Unfair wäre es natürlich, nur zu schimpfen. Den Koloss Uni Wien am Laufen zu halten, ist eine Herausforderung, keine Frage. Sich darüber aufregen, was alles nicht funktioniert und mit der Tatsache fuchteln, dass Österreichs Universität im Times Ranking nur mehr Platz 182 belegt und alles sowieso furchtbar ist, und früher war’s doch besser, ist einfach.

Schwer hingegen ist es, Mutter für 90.000 Studenten und ihre Bedürfnisse zu werden, ein gutes Betreuungsverhältnis zu garantieren, genügend Professuren auszugeben und zu finanzieren, den neuesten Stand von Technologie und Forschung nicht aus den Augen zu verlieren, im brutalen und gefürchteten "Internationalen Vergleich" nicht abzusacken. Um all diese Dinge zu gewährleisten braucht es eines – Geld.

Die Uni Wien hat von 2013 bis 2015 ein Globalbudget von 1,3 Milliarden Euro, ohne Drittmittel. Verständlicherweise konzentrieren sich die gröbsten Finanzierungsprobleme in den überfüllten Studien wie Rechtswissenschaften, Psychologie und Publizistik. In kleineren Instituten lebt es sich zwar leichter, doch auch hier ist nicht garantiert, dass Qualitätsstandards gehalten werden.

Politiker, Rektoren, Professoren! Aufwachen!

Zu einfach ist es nun wieder, als Rektor einer Uni sich über den Geldmangel aufzuregen, die Schuld von sich zu schieben auf die Politik, auf die Studenten, auf die Umstände außerhalb Österreichs. Es liegt aber nicht an den jungen Menschen, die in Wien gratis oder billig studieren wollen, sondern an der Unfähigkeit des Systems. Eine Reaktion auf die zunehmenden infrastrukturellen Probleme blieb aus – die Professoren und Rektoren wollen passionierte und engagierte Studenten, versäumen es aber, ihre gleiche Verantwortung in Verhandlungen mit den Ministerien einzusehen.

Darf man nun hoffen, dass die Politik bald Initiative ergreift? 2016 wird eine neue Leistungsvereinbarung zwischen Uni und Wissenschaftsministerium (oder doch Wirtschaft?) entwickelt. Darin "wollen wir mehr Geld für die Universitäten im Finanzrahmen verankern", sagt Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner.
Studenten versuchen, auf die Situation aufmerksam zu machen. Zuletzt manifestiert durch die Bewegung "uni brennt". Dieser studentischen Verpflichtung ist zu applaudieren, doch wer kann gewinnen, wenn die Uni, für die gekämpft wird, sich als Feind versteht? Die Entwicklung ist nicht neu, sie ist nicht über Nacht gekommen und war vorherzusehen, praktisch ein natürlicher Prozess. Zu viele Studenten plus zu wenige Ressourcen gleich Chaos.

650 und weiter?

Mit 650 Jahren hat die Universität natürlich schon einiges an "Lebenserfahrung". Und ein Motto, das sich aus der Entwicklung des universitären Geschehens herauskristallisiert haben sollte, ist "Immer in Bewegung bleiben". Wir stehen nicht mehr in dem Zeitraum, in dem Bildung ein rares, schwer zugängliches, unantastbares Gut ist – wir sind weitergegangen.

Nun mit 650 Jahren – geht die Uni noch weiter? "Qualitätssicherung ist nicht Selbstzweck, sondern eine immanente Aufgabe aller Angehörigen der Universität, […]" wurde im Entwicklungsplan 2015 festgehalten.

Ebenso, dass die "[…] Kernaufgaben der Universität, Wissen weiterzugeben und Lernen zu ermöglichen" seien. Im Entwicklungsplan wird auch eingesehen, dass "in einigen Bereichen die Kapazitäten überschritten" sind.

Und zum Geburtstag wünschen wir uns: Substanz

Verbessere dich, Uni Wien, lass’ deinen immanenten Aufgaben Taten folgen. Die Mühen, all diese Hindernisse zu überwinden, dürfen aber nicht auf die Studenten geladen werden. Daher ist auch der Ruf um Studiengebühren umstritten. Es wäre sicherlich eine Möglichkeit, mehr Geld zu generieren, und hätte auch regulierenden Einfluss auf den Studienzulauf. Um solche einzuheben, braucht man aber etwas, wofür man zahlen kann – Substanz, die die Uni Wien im Moment leider nicht mehr hat. Wieso sollen Studenten retten, was nicht von ihnen zerstört wurde?

Happy Birthday, Uni!

Franciska Göweil, Studentin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Wien. Gründerin des Blogs "We Can Be Cooks". Journalistin bei Café
Babel. Professionelle Geschichtenerzählerin & Müsliesserin.