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Unkonventionelle Ideen

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Warum unkonventionelle Politiker (kluge und weniger kluge) quer durch Europa Erfolg haben? Weil die konventionellen Politiker so stark in ihre konventionellen Systeme eingebunden sind, dass sie - erraten - zu doppelt konventionellen Lösungen kommen. Beispiel Griechenland.

Das Land hat in vier Jahren 25 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verloren. Würde in Österreich das Bruttoinlandsprodukt um ein Viertel schrumpfen, wären gewalttätige Demonstrationen vor dem Parlament die geringste Sorge...

Auf dieser Basis gerechnet, haben europäische Experten errechnet, dass im Jahr 2020 Folgendes eintreten wird: Die Schuldenquote des Landes wird bei 190 Prozent liegen. Auf heutiger Basis gerechnet, müsste Griechenland dann fast die gesamten Steuereinnahmen für die Bedienung dieser Schulden aufwenden. Ein Horror-Szenario? Nein, denn 2020 sollte Griechenland soweit wiederhergestellt sein, dass es sich am Kapitalmarkt refinanzieren kann.

Kann es aber nicht. Zwar steigen die Exporte Griechenlands derzeit leicht an, was gerne als Erfolg verkauft wird, aber die Basis ist erschütternd niedrig.

Das Land, Wiege der europäischen Demokratie, benötigt also (wie unter Perikles) unkonventionelle Ideen. Es geht darum, die Fiktion zu beseitigen, Athen könne seine Schulden in kurzer Frist zurückzahlen, und gleichzeitig klarzumachen, dass es einen Schuldenschnitt nicht geben wird. Wie das geht?

Ganz einfach. Die Laufzeit wird schlicht und ergreifend erstreckt, und zwar gewaltig, am besten 50 bis 100 Jahre. Das ist Blödsinn? Nun, Kraftwerke werden auf 50 Jahre abgeschrieben, denn sie sind teuer und langlebig. Ist ein Staat nicht langlebiger als ein Kraftwerk?

Und die Griechen benötigen niedrige Zinsen, also in diesem Bereich die Hilfe der EU. Hohe Zinsen bedeuten zweierlei: Entweder die dafür garantierenden Staaten (wie Deutschland und Österreich) oder die Kredit gebenden Banken verdienen an dem Geschäft blendend. Das Geld allerdings wird in Griechenland benötigt, nicht in Österreich und nicht bei der Deutschen Bank.

All diese Maßnahmen passen aber nicht ins konventionelle Schema hinein, und daher machen die EU-Finanzminister auch etwas Konventionelles: Sie flunkern uns etwas vor. Blöd nur, dass die meisten Bürger mittlerweile so unkonventionell sind, dies nicht mehr zu glauben.