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Das diskursive Angebot der Parteien ist kaum ernst zu nehmen.
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Diese zwei Spalten waren seit 2005 der Reflexion der "täglichen Vorgänge in Politik, Wirtschaft und Kultur" gewidmet, wie es der damalige Chefredakteur Andreas Unterberger formulierte. Sein "Tagebuch" wurde später zum klassischen Leitartikel, die Reflexion blieb der Anspruch. Dem Reflektieren wohnt eine Ernsthaftigkeit inne, sie ist der Bedeutung politischer, wirtschaftlicher und kultureller Geschehnisse auch angemessen.
Dieser vorletzte Leitartikel der "Wiener Zeitung", der letzte, der sich der innenpolitischen Debatte widmet, trifft den Autor nicht nur in der Phase des finalen Aufräumens des Arbeitsplatzes und des überraschenden Auffindens von mehr oder weniger Gesuchtem (Notizheft, Buch, Löffel), sondern er trifft ihn auch in einem Zustand der wachsenden Entgeisterung über ebendiese Debatte, die nicht nur, aber maßgeblich von Parteien getragen wird.
Da frohlockt die FPÖ, in Niederösterreich ein Gender-Verbot durchgesetzt zu haben. Die ÖVP widerspricht in Person von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die dafür "mehr Kante gegenüber Idealisten" zeigen und überhaupt Politik für "Normaldenkende" machen will. In Wien schlägt die ÖVP vor, Fördernehmer der Stadt Wien einem Marxismus-Check zu unterziehen. Ob das Theater in der Josefstadt die "Dreigroschenoper" von Bertold Brecht wieder aus dem Programm nehmen muss? Aber ernst bleiben! Unterdessen fordert FPÖ-Chef Herbert Kickl, wieder einmal, das Bargeld in die Verfassung zu schreiben. SPÖ und ÖVP wollten das auch bereits, wundersamerweise steht es noch immer nicht dort. Ob sich die drei Parteien nicht einigen konnten, wie viel man davon in die Verfassung schreiben soll? Aber das wäre unernst, und die angestrebte Reflexion verbietet den Hohn.
Auf Ebene der Bundesregierung offenbart sich seit Monaten eine ausapernde türkis-grüne Zusammenarbeit, die sich in Nickeligkeiten verheddert und krampfhaft versucht, aus dem Regierungsprogramm noch etwas Nennenswertes herauszuschälen. Eine verunsicherte ÖVP stellt Selbstbewusstsein dar, redet von großer Zukunft, gerät aber zugleich in Tirol mit dem Alpenverein wegen Gipfelkreuzen in Streit. Die Grünen reagieren stets routiniert genervt und verweisen auf Maßnahmen gegen den Klimawandel. Regierung und Opposition haben einander auch nichts mehr zu sagen außer immer nur dasselbe.
Es wäre würdig und recht gewesen, wenn der letzte innenpolitische Leitartikel eine Reflexion über seriöse Ideen der Parteien zu großen Herausforderungen der Jetztzeit gewesen wäre: Arbeitskräftemangel, die dringend benötigte Neuaufstellung der Verwaltung, die sich nun eintrübende Wirtschaft. Das Gegenangebot der Politik aber: Bargeld, Gender-Verbot, Marxismus-Check, Veggie-Tag. Darüber eine ernsthafte Abhandlung? Ich will nicht.

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