Wie ein Gesetzesparagraf im Internet Angebote für österreichische Pässe sprießen lässt.
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Wien. "Sauber, Weltklasse-Lebensqualität, ein schönes Land". So wird Österreich auf der Webseite der in der Schweiz ansässigen Firma "Best Citizenships" beschrieben. Lobredner kann man sich eben nicht immer aussuchen, denn das Unternehmen dürfte nicht gerade mit Seriosität bestechen. Es wirbt mit der Vermittlung von Staatsbürgerschaften, mit jener von Kanada, der Karibikinseln St. Kitts und Nevis – und eben mit jener von Österreich.
Für Magnaten mit dem Wunsch nach einem EU-Pass klingt das Angebot bestimmt verlockend: Um nur zwei bis drei Millionen Euro, die man als Spende an öffentliche Projekte leisten müsste, gebe es den begehrten Pass. Oder man investiert mindestens zehn Millionen in die österreichische Wirtschaft, das wäre der zweite Weg zur neuen Staatsbürgerschaft.
Im Innenministerium ist man ob derartiger Angebote, die mittlerweile zu Dutzenden im Internet zu finden sind, nicht begeistert. "Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Staatsbürgerschaft zu erhalten, käuflich ist sie nicht", sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums.
Der Prozess gegen zwei russischstämmige Geschäftsmänner, die in ein Hotel in Kärnten und in die Karriere eines Rennfahrers investierten und dann von der schwarz-orangen Regierung 2007 die Staatsbürgerschaft erhielten, zeigt jedoch: Es gibt diesen kurzen Weg zum österreichischen Reisepass sehr wohl, das Gericht stellte keine Malversationen fest, sprach die Ex-Russen vom Vorwurf der Bestechung frei.
Österreich ist in Europa nach wie vor das einzige Land, das eine gesetzliche Möglichkeit geschaffen hat, um Staatsbürgerschaften im Eilverfahren zu verleihen. Es bedarf dazu eines einstimmigen Beschlusses der Regierung, die aus "besonderem Interesse der Republik" nach Paragraf 10 Abs. 6 Staatsbürgerschaften vergeben kann. Diesen Passus im Staatsbürgerschaftsgesetz, den "Zehn-Sechser", gibt es bereits seit den 1960er-Jahren und betrifft Sportler, Künstler, Wissenschafter und eben auch Wirtschaftstreibende.
Doch ab wann? Ab welcher Summe? Ab zwei Millionen wie im Fall der beiden angeklagten Geschäftsleute? Im Gesetz ist von "bereits erbrachten und noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen" zu lesen. Diese Formulierung ist durchaus bewusst gewählt, eine konkrete Summe würde die Staatsbürgerschaft käuflich machen. Auf der anderen Seite öffnet aber gerade das Unkonkrete der Willkür Tür und Tor.
Drei Dutzend Pässe pro Jahr
Kanada, ein klassisches Einwanderungsland, ist viel klarer. Bei Investition von 600.000 Euro gibt’s auf Wunsch die Staatsbürgerschaft. Und auch Ungarn will eine derartige Möglichkeit für ausländische Investoren schaffen, wenngleich in diesem Fall die hohe Verschuldung des Landes hinter dem eher verzweifelten Plan von Ministerpräsident Viktor Orbán steckt. Doch allein aus dieser Idee ist zu ermessen, wie groß heutzutage die Nachfrage nach EU-Pässen einerseits und der Kampf um ausländische Investoren andererseits ist.
René Siegl steckt mittendrin in diesem Kampf, denn Siegl ist Geschäftsführer der staatlichen Austrian Business Agency (ABA), die seit 1982 versucht, ausländische Investitionen nach Österreich zu holen. Sie tut dies auch durchaus erfolgreich, auch wenn es nach dem Rekordjahr 2008 (mit einem Investitionsvolumen von 425,86 Millionen Euro) krisenbedingt einen Einbruch gab. Doch mittlerweile geht es wieder bergauf: Im Jahr 2011 wurden laut ABA bei 183 Projekten 1822 Arbeitsplätze geschaffen und fast 300 Millionen Euro an Direktinvestitionen aus dem Ausland lukriert.
Die ABA gehört zu jenen Agenturen, die den "proaktiven Weg" gehen, wie Siegl sagt, die also im Ausland um Geldgeber werben. Sie wirbt mit Argumenten wie Sicherheit, Stabilität oder auch dem Steuersystem – aber nicht mit der Möglichkeit einer Staatsbürgerschaft. "Dieses Ansinnen können wir nicht erfüllen, und das machen wir auch klar", sagt Siegl. Doch er bestätigt, dass aus dem arabischen Raum und Osteuropa derartige Anfragen kommen.
Es ist allein die gesetzliche Möglichkeit, die Grundlage derartiger unmoralischer Anfragen ist und das Internet mit unseriösen Angeboten füllt. Dennoch will die Regierung an diesem Passus festhalten, im Innenministerium verweist man jedoch auf laufende Gespräche, wie Kriterien dieses Paragrafen präzisiert werden können. Dass die Expressverleihung von Staatsbürgerschaften nicht im großen Stil passiert, belegen die Zahlen der Statistik Austria. Jedes Jahr werden auf diesem Wege zwischen 25 und 40 Personen eingebürgert. "Wir sind in Österreich nicht in der Position, händeringend nach Investoren suchen zu müssen", sagt René Siegl.