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Unmut unter den Enteigneten

Von Martyna Czarnowska

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Das in Serbien beschlossene Restitutionsgesetz sorgt für Kritik im Inland - und für Empörung im Nachbarland Ungarn.


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Ein Schlösschen hier, das zu einem staatlich geführten Hotel umfunktioniert wurde. Eine paar Villen dort, in die hohe Parteifunktionäre einzogen. Ländereien und Fabriken, die in den Besitz des Staates übergingen. Wie in anderen Ländern mit kommunistischen oder sozialistischen Regimes konfiszierte auch Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg in großem Umfang Grund und Boden, Häuser und Unternehmen. Und wie all den anderen Ländern auch bereitet dem Nachfolgestaat Serbien die Rückerstattung des Eigentums Sorgen.

Nach jahrelangem Tauziehen hat nun das Parlament in Belgrad ein Restitutionsgesetz verabschiedet. Das sieht eine Rückgabe des beschlagnahmten Vermögens vor oder eine Entschädigung in bar beziehungsweise in Form von Staatsobligationen.

Doch schon regt sich Unmut - und das jenseits der serbischen Grenze. Ungarn nämlich ist gar nicht zufrieden mit dem verabschiedeten Gesetz. Denn es diskriminiere die ungarische Minderheit, deren Schutz und Pflege ein erklärtes Ziel der Regierung in Budapest ist. Ein Ziel, das derart ambitioniert verfolgt wird, dass es immer wieder bei den Nachbarn für Ärger sorgt, weil diese Eingriffe in ihre nationalen Angelegenheiten orten.

Den Serben droht Ungarn nun gar indirekt mit einer Blockade bei den Bemühungen, EU-Beitrittskandidat zu werden - ausgerechnet wenige Tage nach der Empfehlung der Europäischen Kommission, Serbien genau diesen Status zu verleihen. Sollte Belgrad die Rückerstattung nicht anders regeln, werde das für Belgrad zu einem ernsten Problem, ließ sich der ungarische Außenminister Janos Martonyi von der staatlichen Nachrichtenagentur MTI zitieren. Das beschlossene Gesetz sei jedenfalls "moralisch, rechtlich und politisch unannehmbar".

Tatsächlich sind die Ungarn in Serbien von der Restitution ausgeschlossen - wie alle Angehörigen jener Mächte, die das Land im Zweiten Weltkrieg besetzt hielten, sowie ihre Nachkommen. Ungarn, ein Verbündeter Nazi-Deutschlands, fällt darunter: 1941 marschierten deutsche und ungarische Truppen in die Vojvodina ein und teilten sie untereinander auf.

Doch sind die Ungarn nicht die Einzigen, die das Restitutionsgesetz kritisieren. Einwände gibt es auch in Serbien selbst. So finden Vereinigungen von Donauschwaben die Vorlage ungerecht. Das Vermögen der Deutschstämmigen, die als Kollaborateure angesehen wurden, wurde schon 1944 konfisziert. Rückerstattet soll aber nur Eigentum werden, das ab 1945 beschlagnahmt wurde.

Unzufriedenheit herrscht ebenso unter anderen ehemaligen Besitzern, zu denen auch Religionsgemeinschaften gehören. Die Schuldverschreibungen des Staates sollen sich nämlich auf einen Gesamtwert von rund zwei Milliarden Euro belaufen. Verbände von Enteigneten schätzen den Wert des konfiszierten Vermögens aber auf mindestens das Doppelte. Und die Möglichkeit, Staatsobligationen statt Bargeld zu erhalten, stößt auch nicht auf Begeisterung. Denn dafür, dass die Papiere nicht massiv an Wert verlieren, kann der wirtschaftlich angeschlagene Staat keinesfalls garantieren.