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San Francisco feiert am kommenden Sonntag die Geburtsstunde der Vereinten Nationen vor 60 Jahren. Aber keiner, der Rang und Namen hat, geht hin. Für die Organisatoren ist es besonders bitter, dass die eigene Polit-Elite durch Abwesenheit glänzt. Weder Präsident George W. Bush noch Außenministerin Condoleezza Rice haben die Einladung nach San Francisco angenommen, wo die UN-Charta am 26. Juni 1945 feierlich unterzeichnet wurde. "Der Terminplan das Präsidenten ist recht voll", beschied das Weiße Haus.
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Nun wäre es für Bush nicht gerade ein Heimspiel, in San Francisco aufzutreten. Während sein Vorgänger Bill Clinton den 50. Jahrestag und viele andere Gelegenheiten nutzte, die äußerst liberale Stadt zur Weltbühne zu machen, hat Bush seit seinem Amtsantritt 2001 einen großen Bogen darum gemacht. Rice wurde vor kurzem von Kriegsgegnern ausgebuht, als sie dort im Commonwealth Club eine Rede hielt.
Kein Grund, meint Nancy Peterson, die Präsidentin des UN-Vereins von San Francisco, die Feier zu ignorieren. Sie macht aus ihrer Enttäuschung kein Hehl. "Peinlich, dass sie den 60. Geburtstag nicht würdigen", sagt sie. "Sie betrachten dies als unbedeutende Veranstaltung. Das ist halt schon immer ihre Einstellung zu den UN gewesen und wir sind nicht glücklich damit."
"Wir hier in San Francisco glauben absolut fest an multilaterale Politik", sagt Peterson mit Nachdruck. Wie Bush einen UN-Kritiker wie John Bolton als neuen Botschafter bei der Weltorganisation habe vorschlagen können, sei ihr schleierhaft. "Wir fragen uns nach den Motiven, die hinter der Ernennung eines solchen Mannes stehen."
Die US-Regierung hat kaum verborgen, dass sie bei den Vereinten Nationen zur Zeit wenig Grund zum Feiern sieht. Bush warnt ständig, dass die UN ohne Reformen in Bedeutungslosigkeit versinken. Noch kritischer ist der Kongress: das Abgeordnetenhaus verabschiedete gerade einen Gesetzentwurf, um die Hälfte des US-Beitrags - rund 450 Millionen Dollar oder 22 Prozent des UN-Budgets - einzubehalten, wenn ihm das Reformpaket nicht weit genug geht. Mehrere Kongressausschüsse suchen nach Korruption und Missmanagement.
Aktionsgruppen wie "Getusout.org" (etwa: lasst uns austreten) machen mit Pamphleten wie diesem Stimmung: "Die vom amerikanischen Steuerzahler finanzierten Vereinten Nationen sind seit langem ein sicherer Hafen für terroristische und unterdrückerische Regime, die die USA als Feind im Visier haben." Stimmen wie die von James Dobbins, unter Clinton Sondergesandter für den Kosovo, Haiti und Afghanistan, sind heute rar. "Die Vereinten Nationen haben 17 Friedensmissionen mit 70.000 Soldaten laufen, für rund vier Milliarden Dollar im Jahr", rechnete er jüngst bei einem UN-Seminar im Brookings-Institut in Washington vor. "Das ist weniger als das, was die Militäroperation im Irak in einem Monat kostet."
San Francisco feiert trotzdem - mit Seminaren über die Rolle der UNO in der Welt und einem Empfang. Am Sonntag führt der Chef des Ölkonzerns Chevron, David O'Reilly, in das Thema "Herausforderungen für die UN mit 60" ein. Seine Firma hat die Feiern mit 100.000 Dollar gesponsert.
Die Saga-Stiftung hat zeitgleich mit dem Jahrestag an der Stanford-Universität ein Treffen von ehemaligen Weltpolitikern organisiert. Daran nehmen etwa ein Ex-Präsident von Mauritius, ein früherer Ministerpräsident des Jemen und 30 Politiker von ähnlichem Kaliber teil. Sie wollen laut Veranstalter einen Aktionsplan gegen die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen entwickeln. Der deutsche Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat aus Gesundheitsgründen abgesagt. dpa