Durban - Am Freitag beginnt in Südafrika die bis 7. September dauernde Weltkonferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus und Intoleranz. Hunderte hochrangige Regierungsvertreter und Experten werden erwartet. Im Vorfeld beraten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf einem eigenen Treffen. Noch ist nicht ausgemacht, ob die Staatengemeinschaft diese Gelegenheit nutzen wird, eine neue Vision im Kampf gegen Rassismus zu entwickeln.
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Die Vorbereitungen laufen seit zwei Jahren. Staatliche Kommissionen und nichtstaatliche Delegationen aus vielen Ländern diskutierten auf regionalen Foren Probleme von Rassismus und Intoleranz. Zuletzt wurde in drei Vorbereitungssitzungen, den sogenannten PrepComs in Genf, an einer gemeinsamen Tagesordnung gefeilt sowie an der Schlusserklärung und einem Aktionsprogramm. Doch bis zum Beginn der eigentlichen Konferenz gibt es in einigen wichtigen Punkten schier unüberwindliche Auffassungsunterschiede. Einige Länder, allen voran die USA, aber auch Israel, drohten ihre Teilnahme an der Konferenz in Durban abzusagen. Viel Wirbel gab es also bereits im Vorfeld dieses als sehr wichtig eingestuften Treffens.
Taten statt Worte
"Diese Weltkonferenz kann den Geist des neuen Jahrhunderts prägen, wenn sich die gemeinsame Überzeugung durchsetzt, dass wir alle Mitglieder einer menschlichen Familie sind", sagte Mary Robinson, die frühere irische Präsidentin, Generalsekretärin der Konferenz und UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Bereits 1997 hat die UN-Generalversammlung beschlossen, eine "Weltkonferenz gegen Rassismus, rassische Diskriminierung, Xenophobie und Intoleranz" durchzuführen. Sie sollte ein Markstein im Kampf gegen alle Formen von Rassismus werden. Ergebnis sollte nicht nur eine gemeinsame Schlussdeklaration der teilnehmenden Staaten sein, sondern auch ein abgestimmtes Aktionsprogramm mit einem Nachfolgetreffen, das die Überprüfung der gegebenen Versprechen ermöglichen sollte. Robinson: "Wir möchten eine Konferenz der Aktion, nicht nur der Worte." Soweit die Intentionen.
Sklaverei - ein Verbrechen?
In einigen Themen lag von vornherein Sprengkraft. Afrikanische Länder und Menschenrechtsorganisationen verlangten etwa, dass der Sklavenhandel zum "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" erklärt werde und von den früheren Kolonialstaaten entsprechende Entschädigungszahlungen geleistet werden sollten. Die USA und die früheren Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich, Spanien und Portugal legten sich quer, weil sie fürchten, Formulierungen wie "Verbrechen" könnten als Schuldbekenntnis ausgelegt werden und Basis für Reparationsklagen sein. Die Konferenz solle Wege finden, heutige Auswüchse des Rassismus auszurotten, anstatt in der Vergangenheit herumzuwühlen, meinte etwa ein britischer Sprecher. Überhaupt sehe man in dem Ruf nach Entschädigungen nichts anderes als die Forderung zu höheren Leistungen der Entwicklungshilfe. Man wolle diese aber keinesfalls mit historischen Ereignissen verquickt sehen. Die amerikanische Regierung drohte überhaupt mit einem Stop aller Hilfsleistungen an Afrika, sollte die Konferenz auf der Behandlung des Themas Entschädigungen beharren.
Die weltweit agierende NGO "Human Rights Watch" verlangt ebenfalls Reparationszahlungen für Folgen aus der Sklaverei und anderen extremen Formen von Rassismus. Nationale und internationale Expertengruppen sollten zu diesem Zweck eingerichtet werden und mit höchster Transparenz und demokratischer Beteiligung arbeiten. Es könnten zum Beispiel Institutionen unterstützt werden, die sich der Opfer bei Ausbildung, Gesundheitsbetreuung oder Wohnungssuche annehmen.
Streitpunkt Zionismus
Auf einem der Vorbereitungstreffen, abgehalten in Teheran, wurde von arabischen und asiatischen Staaten die Behandlung der Palästinenser durch Israel aufs Korn genommen. Der Zionismus, hieß es in den dort verfassten Dokumenten, sei eine "neue Form der Apartheid". Und weiter: Die Konferenz in Durban solle "Zionismus mit Rassismus" gleichsetzen. Um einen Boykott der USA und Israels abzuwenden, schienen arabische Staaten auf der dritten PrepCom in Genf bereit, aus ihren Dokumenten den Zionismus herauszunehmen. Sie beharrten allerdings auf anderen Angriffen gegen Israel, weshalb eine Teilnahme Israels bis zum Ende der Vorbereitungen unsicher blieb.
Mary Robinson nahm klare Standpunkte ein: "Wir können es nicht vermeiden, mit unserer Vergangenheit zu beginnen. Das entsetzliche Leiden durch Sklaverei und die Ausbeutung im Kolonialismus wurden bis heute zu wenig anerkannt, geschweige denn betrauert. Es wird schwierig, eine neue Zukunft zu gestalten, wenn alte Wunden noch schmerzen. Klare Worte der internationalen Gemeinschaft können zur Heilung beitragen." Und zum Thema Zionismus meinte sie: "Die Vereinten Nationen haben dieses Thema bereits ausführlich behandelt. Ich glaube, dass es unangebracht wäre, es hier wieder aufzunehmen. Jeder der dies tut, gefährdet den Erfolg der Konferenz in Durban." UN-Generalsekretär Kofi Annan betonte: "Die Konferenz muss dazu beitragen, alte Wunden zu heilen, ohne neue aufzubrechen."
Der Sprecher des ANC (African National Congress, Südafrika), Smuts Ngonyama, meinte zu den Boykottdrohungen: "Keinem Land sollte erlaubt werden, darüber zu bestimmen, was auf der Rassismuskonferenz diskutiert werden darf und was nicht." An die Bush-Administration richten sich auch Aussagen von Reed Brody, Direktor von Human Rights Watch: "Sie müssen zeigen, dass ihnen das Problem des Rassismus wirklich am Herzen liegt, in den USA und weltweit. Dazu ist es nötig, auf der Durban-Konferenz konkrete Lösungen und Aktionsprogramme zu beschließen und nicht abseits zu stehen."
Ob Durban ein Erfolg wird oder nicht, bleibt also bis zum Schluss offen. Manche Beobachter und Teilnehmer sind skeptisch. Barney Pityana, Leiter der südafrikanischen Menschenrechtskommission: "Es wird sicher jede Menge Aussagen geben, aber ob es Worte sein werden, die irgendetwas bedeuten? Ich bezweifle es."