Bern - Das Schweizer Ja zur UNO stellt einen wichtigen Sieg für den Bundesrat und das Parteiensystem dar. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) erleidet einen Rückschlag und das Land bleibt "regierbar". Zu diesen Schlüssen kommen die Politologen Georg Kohler und Pascal Sciarini. Im Falle einer Ablehnung wären 90 Prozent der Elite des Landes desavouiert gewesen, da sich die Mehrheit der Parteien, der Verbände und der Wirtschaft hinter die Vorlage gestellt hatten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Den Gesinnungswandel seit der ersten UNO-Abstimmung im Jahr 1986 stuft Kohler als "enorm" ein. Nach dem Ja zu den Bilateralen Verträgen mit der EU und der Entsendung von Soldaten ins Ausland sei die UNO-Abstimmung ein weiterer Beweis dafür, dass die Schweiz zu einer Politik der Öffnung fähig sei, ergänzte Pascal Sciarini, Politologe am Lausanner Institut für Management in öffentlichen Verwaltungen.
Diese Vorlagen würden beweisen, dass es möglich sei, gegen die SVP und die Aktion für eine Unabhängige und Neutrale Schweiz (Auns) Christoph Blochers Abstimmungen zu gewinnen, sagte Sciarini. Dazu sei es aber notwendig, dass sich eine Mehrheit der Parteien und die Wirtschaft einig seien. Dies sei 1992 bei der Abstimmung über den EWR-Beitritt nicht der Fall gewesen. "Das Ja zur UNO zeigt, dass das Stimmvolk mit einer vorsichtigen und pragmatischen Öffnungspolitik einverstanden ist."
Der Resultat sei umso klarer, als die Stimmbeteiligung groß gewesen sei, sagte Sciarini. Sie sei sogar noch höher als bei den Bilateralen Verträgen gewesen.
Das Ergebnis vom Sonntag sei zweifellos wichtig für die "Regierbarkeit" der Schweiz, sagte Sciarini. Ein Ende der Wahlerfolge der SVP sei aber nicht abzusehen, auch wenn die Partei nun einen Rückschlag erlitten habe. Mit einem Wählerpotenzial von 25 Prozent sei es der SVP von Christoph Blocher am Abstimmungssonntag gelungen, mehr als 40 Prozent der Wähler für ein Nein zu gewinnen. Bei den Wahlen im nächsten Jahr werde die SVP wohl noch einmal zulegen.
"In der Deutschschweiz hat die Politik des 'Nein-Sagens' allerdings ihre Grenzen erreicht", schränkte Kohler ein. Einzig in der Romandie besitze die SVP noch Potenzial, um weitere Anhänger gewinnen zu können. Sorgen bereitet Kohler der wachsende Graben zwischen Stadt und Land. Diese könne sich mit der Zeit als problematisch erweisen, wenn die Meinung der Mehrheit des Volks vom Ständemehr in Frage gestellt werde.