Mit seiner Wirtschaftspolitik stößt Ungarns Premier Viktor Orbán EU und IWF immer wieder vor den Kopf.
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Budapest. Jozsef Ángyán wirkt wie ein Bilderbuch-Konservativer. Zwei Jahre lang hat der 61-jährige Agraringenieur der rechtsnationalen Regierung von Viktor Orbán als Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium gedient. Jetzt ist er einer der Stichwortgeber für all jene, die in Ungarn eine "Mafiawirtschaft" beklagen. Und deren Schar reicht von Links-Liberalen bis hin zu Rechtsradikalen, das Thema füllt dicke Enthüllungsbücher.
Ángyán kündigte seinen Posten 2012 im Groll, weil er, wie er sagte, Einblick in die Freunderlwirtschaft bei der Landverteilung bekam. Er trat auch aus Orbáns Partei Fidesz aus und stellt sich zur Wahl am Sonntag an der Spitze einer in Umfragen kaum chancenreichen "Bewegung für Anstand und Rechtschaffenheit".
Auch Österreicher vom Landkonflikt betroffen
Die Landverteilung ist eines der heißesten Wirtschaftsthemen in Ungarn. Zu leiden haben darunter auch rund 200 österreichische Familien, die über Nießbrauch-Verträge ungarischen Boden bewirtschaften. Orbáns Regierung unterstellt ihnen, über geheime Abmachungen das noch bis zum 1. Mai dieses Jahres geltende Verbot des Ackerland-Kaufs durch Ausländer unterlaufen zu wollen.
Der österreichisch-ungarische Konflikt auf Regierungsniveau ist hierzu noch nicht ausgestanden. Zwar hat sich auch der Rebell Ángyán den Kampf gegen "das ausländische Kapital und die Oligarchen" in der Landwirtschaft auf die Fahnen geschrieben, doch ging es ihm nie explizit nur um die Österreicher. Vielmehr ärgert ihn, dass die ungarischen Bauern, denen das Gesetz zugute kommen soll, wegen Begünstigung der Oligarchen von außen und innen zu kurz kommen.
Unterdessen rühmt sich Orbáns Regierung mit verbesserten Wirtschaftsdaten, die allerdings unterschiedlich zu deuten sind. So soll die Arbeitslosigkeit deutlich gesunken sein. Experten führen dies darauf zurück, dass Sozialhilfeempfänger zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet wurden. Zudem sei etwa eine halbe Million im Ausland arbeitender Ungarn in die Statistik eingerechnet worden. Erstmals seit der Krise 2008 gab es in Ungarn 2013 Wirtschaftswachstum. Experten meinen, das Plus, das um ein Prozent herum betrug, sei Folge der Erholung des wichtigsten ungarischen Exportmarkts Deutschland. Österreich ist viertwichtigster Handelspartner Ungarns und hält mit einem Investitionsvolumen von neun Milliarden Euro knapp 12 Prozent der gesamten Auslandsinvestitionen.
Banken traf die Wirtschaftspolitik hart
Hart traf Orbáns Wirtschaftspolitik vor allem Österreichs Banken, die in Ungarn einen Marktanteil von 20 Prozent haben. Ihnen, wie auch ausländischen Energiedienstleistern, erlegte die Regierung Sondersteuern auf.
All dies fügt sich in Orbáns selbst erklärte "unorthodoxe" Wirtschaftspolitik, die sich vor allem gegen den Westen und gegen die EU richtet. Als Erstes brach Orban die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ab, weil er sich dessen Sparauflagen nicht beugen wollte - obwohl IWF und EU es waren, die Ungarn 2008 mit einem Kredit von 20 Milliarden Euro vor der Pleite gerettet hatten.
Im Gegenzug hofiert Orbán den Osten. Anfang dieses Jahres schloss er mit Wladimir Putin ein höchst umstrittenes Abkommen zur Erweiterung des noch von den Sowjets vor der Wende gebauten Atomkraftwerks Paks. Russland gibt dafür einen Kredit von zehn Milliarden Euro. Das Projekt stieß auf Kritik, weil es unklar ist, aus welchen Mitteln Ungarn diesen Kredit zurückzahlen wird und ob sich die Investition überhaupt lohnt. Auch zu China pflegt Ungarn immer engere Beziehungen - dies tun allerdings auch andere Länder aus Süd- und Osteuropa, weil das Geld aus China unbürokratischer zu haben ist als das von der EU.
Ein gemischtes Bild von der ungarischen Wirtschaft zeichnet die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer (DUIHK), die alljährlich Umfragen unter Unternehmern macht. Positiv wird vermerkt, dass die Arbeitsgesetze unternehmerfreundlicher geworden seien. Als "historischen Rekord" schätzt DUIHK ein, dass Ungarn sein Haushaltsdefizit auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt habe.
"Korruptes System kann nicht ewig funktionieren"
Als sehr ärgerlich gilt hingegen für Investoren die "unzureichende Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik". Misstrauen erweckt, dass Orban oft zu einem Trick gegriffen hat, um vor Gesetzesbeschlüssen öffentliche Diskussionen zu vermeiden: Gesetzesprojekte wurden nicht im Namen der Partei Fidesz im Parlament eingebracht, sondern in Namen einzelner Fidesz-Abgeordneter. Diese Formalie schließt Konsultationen mit den vom Gesetz Betroffenen aus.
Trotz allem bleibt der Rebell Ángyán zuversichtlich. "Meine Frau hat gesagt, dass jetzt wieder ein vierzigjähriges Kádár-Regime beginnt. Ich aber bin optimistischer", sagte er dem Portal "hir24.hu". Ungarns KP-Chef Janos Kádár (1912-1989) war Architekt des widersprüchlichen Gulaschkommunismus. "Ein dermaßen korruptes, kaputtes System kann nicht unendlich funktionieren", meint Ángyán.