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In Ungarn sind innerhalb eines Jahres acht Roma ermordet worden. Die Täter gingen dabei mit unglaublicher Brutalität vor. Ein Haus wurde angezündet, die Flüchtenden erschossen. Vor wenigen Tagen richteten Unbekannte eine 45-Jährige Romni im Norden des Landes regelrecht hin, die Tochter des Opfers liegt verletzt im Spital.
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Die Polizei, die mittlerweile vom FBI unterstützt wird, spricht von einem System, das hinter den Gewalttaten steht. Doch der oder die Täter konnten nicht gefunden werden. Damit ist auch der Hintergrund der Mordserie unklar. Im Raum steht die Vermutung, dass es sich bei den Tätern um Auftragsmörder von Wucherern handelt, deren Kunden, - die Mordopfer - das ihnen geliehene Geld nicht zurückgezahlt haben. Wer sich im Roma-Milieu auskennt, weiß, dass dieses äußerst hierarchisch strukturiert ist. Oftmals ist es so, dass ein Sippen-Oberhaupt durch Geldvergabe Abhängigkeiten schafft, um über den Schuldner absolute Kontrolle ausüben zu können. Nicht wenige der in Wien bettelnden Roma sind Opfer dieser ausbeuterischen, vormodernen und patriarchalen Strukturen. Die Morde hätten dann die Funktion, die übrigen, potentiell aufsässigen "Leibeigenen" einzuschüchtern.
Oder es handelt sich bei den Tätern um Rechtsradikale. Einige politische Entwicklungen in Ungarn unterstützen diese These und stimmen nachdenklich.
Da ist zunächst einmal die paramilitärisch organisierte Ungarische Garde, die mit Verbalradikalität und ganz handfesten Aktionen gegen die Minderheit zu Felde zieht. Die an die faschistischen Pfeilkreuzler gemahnende Bewegung ist offen antisemitisch, hat aber in den Roma ihren Hauptgegner identifiziert. Die gerichtlich verbotene aber trotzdem weiter existente Vereinigung nimmt für sich in Anspruch, "physisch, seelisch und geistig wehrlose Ungarn verteidigen" zu wollen. Die schwarz uniformierten Gardisten marschieren durch Roma-Siedlungen, um vorgeblicher "Zigeunerkriminalität" entgegen zu treten.
Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Median, wonach 19 Prozent der Ungarn mit der Garde sympathisieren. Im Jahr davor waren es 11 Prozent gewesen. Hervorgegangen ist die Organisation vor ziemlich genau zwei Jahren aus der rechtsextremen Partei Jobbik. Die Gruppierung schürt gezielt den Hass gegen Roma. Bei den EU-Wahlen am 7. Juni erhielt sie 14,8 Prozent der Stimmen.
Auch wenn kein direkter Zusammenhang besteht: Diese neuen, rechtsextremen Entwicklungen haben zur Schaffung eines intoleranten Klimas in Ungarn beigetragen - und es zumindest wahrscheinlicher gemacht, dass politische Motive hinter der Serie an Roma-Morden stehen.