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Unpopulär, aber richtig

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Die US-Regierung wird wegen ihrer Hilfe für Banken und Automobilindustrie immer noch attackiert. Dabei wird aber vergessen, dass sie eine richtige Entscheidung getroffen hat.


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Ständiges Wiederholen von regierungsfeindlicher Rhetorik hat die US-Bürger blind gemacht für eine wichtige, wenn auch vielleicht überraschende Tatsache: Wir erleben gerade die Folgen einer durchaus erfolgreich verlaufenen Regierungsintervention: Der Rettung von Banken und Automobilindustrie, die den USA mit ziemlicher Sicherheit eine neue große Depression erspart hat. Das heißt aber keineswegs, dass der aktuelle Zustand der Wirtschaft Anlass zum Feiern gibt - mit einer Arbeitslosigkeit von 9,6 Prozent.

Präsident Barack Obama hat daher völlig recht, erneut 50 Milliarden Dollar zur Schaffung von Jobs durch Investitionen in die Transportinfrastruktur zu fordern. Nur hat dieser Plan im Sturm der Washington-Ressentiments, in dem jede Erwähnung der Worte Rettung oder Stimulierung im Zusammenhang mit der Regierung Aggressionen auslöst, leider nicht die geringste Chance. Das heißt auch, dass die US-Notenbank auf weniger wirkungsvolle Mittel zum Ankurbeln der Wirtschaft zurückgreifen muss.

Woher kommt all der Zorn gegen Washington? Wenn eine Regierung ihre Ziele nicht erreicht, hat sie sich Kritik verdient. Aber die positiven Leistungen einer Regierung zu ignorieren, noch dazu in Krisenzeiten, ist vorsätzliche Dummheit, besonders wenn sie, wie bei den Auto- und Bankenhilfspaketen, Privatunternehmen zu Hilfe kommt, die das ganze Land in Gefahr gebracht haben.

Als guter Leitfaden zum Thema erweist sich das neue Buch "Overhaul" (Überholung) von Automobil-Zar Steven Rattner, der die 82-Milliarden-Dollar-Rettung von General Motors und Chrysler leitete. Dazu muss ich allerdings anmerken, dass ich mit dem Autor befreundet bin und in der Dankesliste aufscheine.

Rattner erzählt die Geschichte aus Sicht der Autoindustrie: Privatfirmen trafen falsche Entscheidungen und gefährdeten die Wirtschaft. Die Regierung hingegen traf unpopuläre, aber richtige Entscheidungen, um diese schlecht geführten Firmen über Wasser zu halten, aus Angst, ein Kollaps könnte weit Schlimmeres nach sich ziehen.

Und nun zu dem, was in der Politik im Moment niemand zu begreifen scheint: Der Eingriff durch die Regierung hat funktioniert. Die Unternehmen wurden gerettet. Und es sieht ganz so aus, als könnte das meiste von dem Geld, das die Steuerzahler hier investieren mussten, zurückgezahlt werden. Es wird aber so getan, als wäre das alles ein einziges großes Desaster gewesen. Das war es aber nicht. Die Privatwirtschaft hat die Fehler gemacht, nicht die Regierung.

Rattner schreibt, selbst wenn die Regierung in dieser Angelegenheit etwas Geld einbüßen sollte, wäre das doch ein vergleichsweise geringer Preis, um eine viel größere Wirtschaftskatastrophe - den Absturz von der Rezession in die Depression - abzuwenden. Seit der von der Regierung erzwungenen Umstrukturierung von GM und Chrysler gibt es in der Automobilindustrie 76.000 neue Jobs.

Die Regierung ist eine überaus bequeme Zielscheibe. So übersieht man leicht, dass die wahren Schurken in den Banken und den Autofirmen sitzen. Obama und seine Demokraten sollten sich nicht länger in Angst und Schrecken versetzen lassen, denn die Wahrheit ist: Ihr Banken- und Automobil-Rettungspaket war ein voller Erfolg und eine nötige Voraussetzung zur Erholung der Wirtschaft, die langsam wieder Fahrt gewinnt. Die Regierung kann also ruhig aufhören, sich zu entschuldigen, und damit beginnen, die Lorbeeren für ihre funktionierende Politik einzuheimsen.

Übersetzung: Redaktion

Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

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