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System-Verdruss und Aufbruchsstimmung waren die Themen des WZ-Talks "Demokratie!" - Hanno Burmester vom Progressiven Zentrum Berlin war zu Gast bei einer lebhaften Diskussion.
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Wien. Über Demokratie zu sprechen, bringt das ureigenste Element dieser politischen Form zutage: die Auseinandersetzung. Und so war man sich sowohl am Podium als auch im Publikum am Donnerstagabend im Unteren Belvedere nicht immer einig darüber, ob Demokratie heutzutage gefährdet sei und welche Lösungen taugen, um den Staat vor möglichen Autoritätsformen zu schützen. Rund 180 Gäste kamen trotz Hitze zu einer weiteren Ausgabe der Eventreihe "Demokratie!" der "Wiener Zeitung" und des Sora Instituts und folgten der Podiumsdiskussion, die Chefredakteur Walter Hämmerle moderierte.
Demokratieforscher Hanno Burmester, die Präsidentin der Politischen Akademie der ÖVP, Bettina Rausch, und Tamara Ehs, die Vorsitzende der IG Demokratie, sprachen über die Überforderung und Ohnmacht von Politikern und Bürgern, über fehlende politische Bildung an Schulen, über eine bessere finanzielle Ausstattung der Parlamente und über die Macht der Veränderung. "Politiker bewegen sich in einem Spannungsfeld. Es wird von ihnen verlangt, dass sie das Klimaproblem lösen, gleichzeitig will aber niemand auf sein Auto und auf niedrige Spritpreise verzichten", sagte Rausch. Das führe zu einer Ohnmacht und Überforderung. Ehs sah es aus der Sicht der Bürger, die ihre gefühlte Ohnmacht wieder verlernen müssten. "Überhaupt als Bürger zu wissen, was kann ich eigentlich tun in einer Demokratie, ist wichtig. Die politische Bildung muss gefördert werden, denn eine Demokratie ist nie alternativlos", sagte sie.
Es gäbe bei jungen Menschen sehr wohl das Bedürfnis über Politik zu sprechen, erzählt Ehs von ihren Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen. "Wenn ich die Schüler frage, was nicht Politik ist, dann sagen sie mir der Mond oder Fußball. Und dann muss ich ihnen sagen, wie politisch diese beiden Themen sind."
Eine Viertelmilliongegen die Demokratie
Der Zugang Jugendlicher zur Politik hat sich laut Rausch verändert. "Früher war klar, wenn die Eltern eine bestimmte Partei gewählt haben, dann haben die Kinder diese übernommen. Heute ist das Gott sei Dank anders. Es wird nicht mehr übergestülpt - jedoch mit dem Nachteil, dass heute oft gar nicht mehr in den Familien über Politik gesprochen wird", so Rausch. Einig waren sich die Diskutanten, dass die Parlamente mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekommen sollten. "Wir brauchen starke, lebendige Parlamente", so Burmester.
Wie steht es nun um die Demokratie in Österreich? Günther Ogris vom Sora Institut präsentierte die ersten Messungen des Demokratie Monitors. Danach sprechen sich vier Prozent der Bevölkerung - das sind rund eine Viertelmillion Menschen - klar gegen die Demokratie aus. "Steckt in jedem Bürger ein kleiner Faschist?", formulierte Hämmerle provokant? "In jedem steckt ein Faschist und ein guter Mensch. Es kommt auf das Umfeld an, was sich im Laufe der Zeit mehr herausentwickelt", sagt Burmester. Eine Publikumsübung zum Schluss sorgte für Erheiterung. Auf die Frage, wer Politiker sein möchte und wer auf keinen Fall, fiel das Abstimmungsergebnis ernüchternd aus: Nur zwei ältere Herren würden in die Politik gehen. "Uns fehlt die Lust auf die Zukunft. Das braucht es aber, um der Politikverdrossenheit zu begegnen", so Burmester.