Nach der Absage der Gläubiger zum Heta-Rückkaufangebot bangt Kärnten um seine Zukunft.
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Klagenfurt. "Hypo Alpe Adria Group. Supportiv. Friendly. Fair" Das Logo wurde mittlerweile vom Dach der ehemaligen Hypo-Alpe-Adria-Zentrale in Klagenfurt entfernt. Im Empfangsbereich glänzt allerdings noch ein alter Schriftzug. Wie ein Relikt erinnert das überdimensionierte Gebäude, eine moderne Glas-Stahl-Konstruktion des US-amerikanischen Architekten Thom Mayne, an die alten, glorreichen Zeiten der Hypo. Und an deren Fall. Die Bank heißt jetzt Heta und ist eine Bad Bank.
Die Euphorie unter den verbliebenen Mitarbeitern hält sich in Grenzen. Sie müssen jetzt den Abbau abwickeln und dann war es das, auch mit dem Job. Mit rund elf Milliarden Euro haftet Kärnten noch für die ehemalige Landeshypothekenbank. Wäre schon Montag und hätten die Heta-Gläubiger, großteils deutsche Banken und Versicherungen, das 7,5 Milliarden Euro schwere Rückkaufangebot Kärntens angenommen, würde Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) entspannter in seinem Büro sitzen. Es ist aber erst Freitag und es deutet nichts darauf hin, dass die Gläubiger das Angebot annehmen werden. "Das Angebot ist sehr gut, mehr als man erwarten kann", sagt Kaiser im Gespräch.
Zur Erinnerung: Das Land Kärnten hat den geschädigten Heta-Gläubigern 7,5 Milliarden Euro für ihre landesbehafteten Anleihen geboten. 1,2 Milliarden will Kärnten selbst stemmen, 6,3 Milliarden schießt der Bund zu. Das entspricht 75 Prozent der Forderung vorrangiger Anleihen und 30 der nachrangigen. Vergangene Woche besserte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) mit sogenannten Null-Coupon-Bonds auf 82 Prozent nach. Bis Freitag, 17 Uhr, war das Angebot gültig.
Die Gläubiger wollten von all dem nichts wissen. Sie pochen weiterhin auf 100 Prozent ihrer Forderungen und haben sich auf eine sogenannte Lockup-Vereinbarung verständigt. Das bedeutet, dass sie nur geschlossen annehmen oder ablehnen. Damit Kärntens Angebot Gültigkeit erlangt, müssten eigentlich nur zwei Drittel der Gläubiger zustimmen.
Damoklesschwert Haftungen
Kaiser nennt das eine "kartellähnliche Absprache". Manche Fonds hätten die Heta-Anleihen weit unter ihrem Wert gekauft. Dass sie sich nun mit 82 Prozent nicht zufriedengeben, sei nicht in Ordnung. "Finanzkapital wird über jedwede Politik und das Schicksal von Menschen gestellt."
Im gesamten Landtag ist man kurz vor Fristenende nervös. "Da ist sehr viel Enttäuschung, weil sich schon abzeichnete, dass die Gläubiger das Angebot nicht annehmen", sagt Grünen-Landesrat Rolf Holub.
Kärnten wird seit 2013 realpolitisch von einer Dreierkoalition zwischen SPÖ, ÖVP und Grünen regiert. Aufgrund des Proporzsystems sind die Freiheitlichen in Kärnten (FPK) und das Team Stronach mit je einem Landesrat in der Regierung vertreten. Die Haftungen hängen wie ein Damoklesschwert über Kärnten. Ohne die Hypo stünde das Land eigentlich ganz gut da. In den vergangen zwei Jahren hat man mehr als 200 Millionen Euro in der Gesundheitsverwaltung eingespart, das Budget saniert. Rechnet man Ausgaben für die Heta heraus, erwirtschaftet Kärnten heute mehr, als es ausgibt. Hätten die Gläubiger das Angebot angenommen, wären Kärntens Schulden an den Bund zwar um 1,2 Milliarden Euro gewachsen. Man könnte damit aber einen Schlussstrich unter das leidige Hypo-Thema ziehen. Jetzt rückt aber das Pleiteszenario wieder aufs Tapet.
"Nichts als Schulden"
"Wir sind doch jetzt schon pleite. Alle schimpfen auf die Landesregierung, aber was hat uns der Haider (Ex-Landeshauptmann Jörg Haider, Anm.) hinterlassen?", fragt Maria K. Die Studentin kellnert neben der Uni in einem Kaffeehaus in Klagenfurt. "Ein Stadion, das kein Mensch braucht, und eine Therme (in Villach, Anm.), in die keiner geht und die nur kostet." Beides ist mit Hypo-Geld finanziert worden.
Nach dem Auffliegen der Hypo-Skandale hat die Haider-Euphorie in Kärnten etwas nachgelassen. "Er war sehr charismatisch und die Leute sind Schlange vor seinem Büro gestanden, um sich ihren Hunderter abzuholen", erzählt die Betriebswirtin Angelika F. "Und niemand von ihnen hat sich die Frage gestellt, wer das bezahlt." Einige halten dem seit siebeneinhalb Jahren verstorbenen Landeshauptmann weiterhin die Treue. "Auf einen Toten schimpfen, ist leicht. Aber die heute sind um keinen Deut besser. Sie sind damals auch alle im Landtag gesessen. Warum hat ihn keiner eingebremst?", fragt ein aufgebrachter Herr. "Wenn der Herr Landeshauptmann am Leben geblieben wär’, wäre das alles nie so weit gekommen, das hätte er nie zugelassen. Aber wehe, Sie schreiben meinen Namen!" Eine ältere Dame pflichtet bei: "Er wollte ja nur das Beste für unser Land. Und ohne dem Lumpenpack im Schlepptau wär’ das auch nicht passiert."
Im damaligen Kärnten bedeutete Kritik an Haider Kritik am Land selbst. "Er hat es immer gut verstanden, Entscheidungen als Bekenntnisfrage zu Kärnten zu konstruieren. Und die Medien haben da mitgespielt", sagt ein ehemaliger Kärntner Landespolitiker, der namentlich nicht genannt werden möchte. Kritiker wurden schnell mundtot gemacht oder einfach nicht gehört.
So wie Reinhold Lexer, der ehemalige Chef der Kärntner ÖVP. Er forderte 2000 ein Aussetzen der Haftungen und musste kurz darauf gehen. Angeblich auf Betreiben des ehemaligen Kanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP). Die damalige Hypo war dem Gesetz nach eine Landeshypothekenbank. Damit waren der Landesfinanzreferent und der Landeshauptmann für die Aufsicht zuständig. Unter Haider wuchsen die Haftungen ins Unermessliche. 2006 betrugen sie über 24 Milliarden Euro, bei einem Landesbudget von zwei Milliarden. Im Gegenzug wurde die großzügige Wachstumspolitik des Landeshauptmanns finanziert.
Rolf Holub wehrt sich gegen den Vorwurf, man habe Haiders Politik mitgetragen. "Erst 2009 wurde der volle Umfang der Haftungen bekannt. Man hat uns damals jahrelang die Rechnungsabschlüsse vorenthalten." Christian Ragger, Obmann der FPK, sieht die Schuld am Desaster vor allem bei der Aufsicht in Wien und der Bundesregierung, die die Hypo damals verstaatlicht hat. "Keine Frage, es sind auch in Kärnten Fehler passiert", sagt er im Gespräch. Ragger hatte das Rückkaufangebot im Vorfeld heftig kritisiert. Aus Gläubigersicht könne man das gar nicht annehmen, weil dieser Schuldenschnitt wegweisend für den gesamten Finanzmarkt sein könnte.
Eine Pleite will in Kärnten jedenfalls niemand. "Wir hoffen schon, dass der Bund uns im Ernstfall retten wird", sagt Angelika F. Doch auch nach einer Ablehnung der Gläubiger steht eine Insolvenz nicht unmittelbar bevor. Im Mai würde die Finanzmarktaufsicht per Bescheid einen deutlich niedrigeren Haircut verordnen. Etwaige Forderungen müssten die Gläubiger dann bei Kärnten einklagen, was wiederum Jahre dauern würde.
Außerdem, betont Landeshauptmann Kaiser, würden die Gläubiger im Falle einer Insolvenz nur einen Bruchteil ihrer Forderungen bekommen, wie ein Gutachten zeigt (siehe Seite 10).
"Die deutschen Gläubiger kennen die österreichische Bürokratie und Mentalität wohl noch nicht. Wenn was in Österreich sehr gut geht, dann ist das Prozessverschleppung", sagt Holub warnend.