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Unschuldig hinter Gitter und kein Schadenersatz?

Von Matthias G. Bernold

Politik

Fehlurteile und die derzeitige Praxis bei den Haftentschädigungsverfahren kritisiert der Verein Charta 97: Die Finanzprokuratur wende in den Verfahren "haarsträubende Mittel" an, die in normalen Zivilverfahren undenkbar wären.


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"Wir sind weder Anarchisten noch Umstürzler", eröffnete der Obmann des Menschenrechtsvereins, Peter Römer, die gestrige Pressekonferenz, "wir wollen lediglich das Bewusstsein wecken, dass etwas schief läuft".

Worum geht es? Wird jemand zu Unrecht in Haft genommen, steht ihm aufgrund des strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes (StEG) ein Schadenersatzanspruch zu. In der Mehrzahl der Fälle wird dieser Anspruch vom Justizministerium relativ schnell zuerkannt, bestätigt auch Römer. Über die Höhe wird vor Gericht gestritten. Der durch die Zeit in Haft erlittene Schaden "muss auf Punkt und Komma bewiesen werden."

Wie Römer anhand von drei langwierigen Beispielfällen - einer führte zu einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen überlanger Verfahrensdauer - darlegt, ein für die zu Unrecht Veurteilten äußerst schwieriges Unterfangen. Das liege nicht zuletzt am Agieren der Finanzprokuratur. Die Anwälte der Republik brächten Einwendungen ein, "die an den Haaren herbeigezogen sind", bestätigt auch der Linzer Rechtsanwalt Glaser. Dass Fall Heidegger in einem Jahres zu Ende gebracht werden konnte, sei eine Ausnahme. Der Präsident der Fianzprokuratur Michael Sawerthal bezeichnet die Vorwürfe im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" als "Brandrede". Die Finanzprokuratur habe die Rechte der Republik zu wahren. Alles andere sei ein Verschwendung von Steuergeld. Der zuständige Referent in zwei zitierten Fällen, Leopold Ulrich, nennt die schwierige Gesetzeslage als Ursachen für die Verfahrensdauer.

Novelle im Ministerrat

Im Justizministerium verweist man auf die Novelle zum Entschädigungsgesetz, die nächste Woche in den Ministerrat gelangen soll. Im Jahr 2003 wurden 116 Anträge nach StEG gestellt, von denen 86 ganz oder teilweise positiv erledigt wurden. Insgesamt wurde ein Betrag von 295.189,39 Euro anerkannt.