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Wifo-Experte: "Preiskontrollen keine Lösung." | Nahrungpreise stiegen 2007 teils um 30 Prozent. | Zwiebel, Milch und Eier verteuerten sich rasch, Brotpreis stieg langfristig. | Wien. Steigende Lebensmittelpreise treffen letztlich jeden einzelnen Konsumenten. Was mit ein Grund dafür ist, dass Diskussionen über höhere Milch- oder Brotpreise schon genauso emotional geführt werden wie die Debatten über die stetig steigenden Treibstoffpreise.
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Auch radikale Forderungen werden in diesem Zusammenhang laut: So ist sich die KPÖ nicht zu schade, für ein Comeback der amtlichen Preisregelung einzutreten. Die Regierung müsse handeln, bevor die Preisentwicklung vollends außer Kontrolle gerate, das Instrument der Preisregelung habe in den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg gut funktioniert und sei vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union - anscheinend zu früh - aufgegeben worden, so die Argumente der Kommunisten. Ökonomen freilich können dieser Sicht der Dinge nicht viel abgewinnen. "Wir leben in einer Marktwirtschaft", meint dazu Josef Baumgartner vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Preisbindungen wären seiner Meinung nach mit einer offenen Ökonomie nicht vereinbar.
Preisregelung: Auswahl für Kunden wäre eingeschränkt
Eine Preisregelung in Österreich könnte nämlich dazu führen, dass die verarbeitenden Betriebe die Lebensmittel lieber ins Ausland exportierten, wo sie wohl höhere Preise erzielen als hierzulande, warnt der Wifo-Inflationsexperte. "Die Regale in den heimischen Supermärkten wären dann weniger prall gefüllt", so Baumgartner. Um das zu verhindern, müsste man im Fall des Falles zusätzlich den Export beschränken, was jedoch nicht mit den EU-Regelungen vereinbar wäre.
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Zudem sind die steigenden Nahrungsmittelpreise kein rein österreichisches, sondern ein weltweites Problem. Die jetzigen Preisanstiege etwa bei Getreide oder Molkereiprodukten stammen nicht aus dem Inland, sondern kommen laut Baumgartner von den internationalen Märkten. Der Milchpreis sei bereits ab Spätsommer 2006 international stark gestiegen, mit einem Jahr Verzögerung habe er dann in Österreich nachgezogen, erläutert der Wifo-Experte.
Vor allem die Preise für Milchprodukte und Eier haben sich Berechnungen der Statistik Austria zufolge im vergangenen Jahr stark verteuert (insgesamt plus 16 Prozent gegenüber 2006). Bei den Brotpreisen hingegen handle es sich um einen kontinuierlichen Anstieg über viele Jahre, betont Preisstatistikfachmann Josef Auer von der Statistik Austria. "In all diesen Fällen liegen die Preisanstiege jedoch über der allgemeinen Inflation." Vollmilch ist laut Wiener Arbeiterkammer im vergangenen Jahr um 9,5 Prozent teurer geworden, Teebutter um 11,7 Prozent. Der Preis für Zwiebeln ist 2007 sogar um 29,2 Prozent in die Höhe geschossen. Schon im Jahr davor war er um 26 Prozent gestiegen und hatte damit den Rückgang des Jahres 2005 (rund 18 Prozent) mehr als ausgeglichen.
Zum Glück für die Konsumenten gibt es aber auch Lebensmittel, die ein bisschen billiger werden - oder zumindest nicht wesentlich teurer. So sind die Verbraucherpreise für Paradeiser 2007 in Österreich um 0,7 Prozent gesunken. Der Preis für Schweinsschnitzel ist im gleichen Zeitraum geringfügig gestiegen, nämlich um 0,6 Prozent.
Höhere Milchquoten wegen wachsender Nachfrage
Dass der Spuk der steigenden Lebensmittelpreise bald vorbei sein könnte, glauben nur wenige Experten. Auch die EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel geht für das soeben begonnene Jahr 2008 von weiteren Preissteigerungen aus. Aufgrund der weltweit wachsenden Nachfrage und wegen weitgehend unvorhersehbarer Witterungsverhältnisse werde es eine Rückkehr zu den niedrigeren Preisen der Vergangenheit nicht geben, ist Fischer Boel überzeugt - auf eine genaue Prognose will sie sich freilich nicht festlegen.
Gleichzeitig verteidigt sie die geplante Erhöhung der Milchproduktion. Um die wachsende Nachfrage zu nutzen, sei es unbedingt notwendig, neue Milchquoten einzuführen. Europas Milchbauern sollen nach dem Willen der EU-Kommission mehr produzieren dürfen. Ab 1. April 2008 soll die Produktion in der Europäischen Union um 2,84 Millionen Tonnen oder rund zwei Prozent steigen.
Internationale Experten sehen vor allem die starke Nachfrage nach Nahrungsmitteln aus boomenden Ländern wie Indien und China, aber auch die Produktion von Biosprit als Ursachen für die Preisexplosion bei Lebensmitteln (siehe Artikel unten).