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Zu frühe Trennung der Schüler führt zu Kettenreaktionen.
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"Wiener Zeitung":Ist nach diesem ÖVP-Beschluss ein Gesamtschulmodell in Österreich noch vorstellbar?Michael Schratz: Es gibt immer mehr Menschen - Eltern Lehrer, Schulleiter -, die erkennen, dass ein so heterogenes Schulsystem wie das österreichische nicht mehr steuerungsfähig ist. Der Druck ist heute schon sehr viel größer als er noch vor 20 Jahren war. Damals wurde die Diskussion sehr ideologisch geführt. Heute kenne ich keinen Bildungsexperten, der aufgrund wissenschaftlicher Argumentation eine gemeinsame Schule ablehnt.
Ist es sinnvoll, eine gemeinsame Schule der 10- bis 15-Jährigen nur regional einzuführen?
Wir haben derzeit so heterogene Voraussetzungen, dass eine Steuerung, wer nach der Volksschule in welche Schule kommt, nicht mehr leistbar ist. Selbst mit einem Gut im Zeugnis der vierten Volksschulklasse, kann man sich die Schule nicht mehr aussuchen. Das bedeutet, Übertritte schaffen Engpässe. Je mehr Übergänge es gibt, desto mehr Probleme entstehen im System. In einem derart zergliederten System verliert man gerade jene Schüler, die am meisten Unterstützung brauchen. Das sieht man dann bei den Arbeitslosen. Eine zu frühe Trennung in der Schule führt zu Kettenreaktionen. Es ist daher nicht sinnvoll, eine gemeinsame Schule additiv zu einer Hauptschule oder einem Gymnasium einzuführen. Diese müsste als alleinige Schulform gelten.
Eine Expertengruppe, in der auch Sie vertreten sind, arbeitet derzeit ein Modell aus. Wie könnte das aussehen?
In dieser Gruppe ist eine Vielfalt der Bevölkerung vertreten. Ich hoffe, dass nächstes Jahr ein Entwurf vorliegt, der einen öffentlichen Diskurs jenseits des ideologischen und parteipolitischen Agitierens möglich macht. Schule muss neu gedacht werden, unser System ist reformbedürftig.
Wie soll die Differenzierung in einer gemeinsamen Schule aussehen?
Gute Schulen - etwa in Schweden - haben gute Unterstützungssysteme. Am schlechtesten wäre es, Leistungsgruppen nach Hauptschul-Vorbild einzuführen. Kinder müssen gefordert und gefördert werden. Durch Förderung muss jeder Schüler ans Ziel gebracht werden. Leistungsgruppen dagegen sortieren wieder nur aus.