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Unsichere Steuerpraxis bei Prozesskosten

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Das hohe Gericht war nicht der Ansicht, dass der Wiener Politiker glaubwürdig und charakterstark war, wie das jemand öffentlich bezweifelt hatte. Also ging der Prozess, den der Volksvertreter gegen seinen Beleidiger angestrengt hatte, in die Binsen. Was blieb, war eine satte Summe an Anwalts- und Gerichtskosten, die der Politiker nun als Steuerabsetzposten anmeldete. Das Finanzamt erwies sich erwartungsgemäß als sperrig; der Unabhängige Finanzsenat (UFS) zeigte sich jedoch wohltätig. - Und löste damit in der steuerlichen Fachwelt Überraschung aus.


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Die Frage, ob Prozesskosten steuerlich absetzbar sind, wird in der Fachliteratur nur peripher beantwortet, meist anhand bisher bekannt gewordener Einzelfälle. In den Richtlinien des Finanzministeriums steht dazu Lesenswertes, doch werden diese durch den Finanzsenat neuerdings oft "net amal ignoriert".

Unbestritten ist, dass der komplexe Pulk aus Kosten für Beratung, Verteidigung, Gerichtsgebühren, Urteilsveröffentlichung (eventuell auch Geldstrafen) dreierlei sein kann: Betriebsausgaben oder Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen. Was freilich nicht gleich bedeutend mit ihrer steuerlichen Absetzbarkeit sein muss.

Betriebliche Verfahren

Im betrieblichen Bereich sind Zivilprozesskosten absetzbare Betriebsausgaben, wenn sie - was wohl der Regelfall sein wird - betrieblich veranlasst sind. Ob ein solcher Prozess für den Betrieb gut oder schlecht ausgeht, ob es zu einer Verurteilung oder etwa zu einem Vergleich kommt, ist hier unerheblich.

Ähnliches gilt auch für Strafverfahren; hier setzt die Absetzbarkeit aber voraus, dass ein eindeutiger Freispruch erfolgt; käme es nur zu einer Einstellung wegen inzwischen eingetretener Verjährung, wäre die steuerliche Wirkung vertan. Auch bei Verwaltungsstrafverfahren (und den dabei entstehenden Kosten) geht es um den Nachweis der "objektiven" betrieblichen Veranlassung. Die Kosten für Gewerbeschein- oder Bauordnungsverfahren oder Verfahren in Insolvenzangelegenheiten sind steuerwirksame Betriebsausgaben. Ähnliches gilt für Verfahren, die wegen Schadenersatz oder zur Hereinbringung von Außenständen oder Kostenersätzen angestrengt werden.

Differenzierung bei Arbeitnehmern

Auch im Arbeitnehmer-Bereich sind Zivilprozesskosten nur absetzbar, wenn der Prozess auf die berufliche Tätig-keit zurückzuführen ist. Das betrifft vor allem Arbeitsge-richtsprozesse, die wegen der Höhe des Arbeitslohnes oder etwa wegen Schadeneratzansprüchen eines Arbeitnehmers geführt werden müssen. Solche Prozesse müssen nicht immer für den Kläger erfolgreich sein; die Ausgaben sind auch dann Werbungskosten, wenn der Arbeitnehmer verliert oder wenn das Verfahren mit einem Vergleich endet.

Kosten eines gerichtlichen oder eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens (das im Zusammenhang mit der beruflichen Arbeit des Dienstnehmers steht) sind nur dann absetzbare Werbungskosten, wenn es für den Arbeitnehmer zu keinem Schuldspruch kommt oder wenn nur geringes Verschulden festgestellt wird (etwa unter Diversionszahlung oder unter geringer Geldstrafe; diesfalls könnte sogar der Strafbetrag absetzbar sein). Kommt es zu einem Teil-Schuldspruch und zu einem Teil-Freispruch, dann müsste der absetzbare Teil der Kosten geschätzt werden. Werden solche Kosten - was oft vorkommt - vom Arbeitgeber getragen, so liegt zunächst steuerpflichtiger Arbeitslohn vor, und der Arbeitnehmer müsste seine Ausgaben beim Finanzamt geltend machen.

Außergewöhnliche

Belastungen

Dass Prozesskosten auch (private) außergewöhnliche Belastungen (agB) sein können, ist denkbar, wenngleich au-ßerordentlich selten. Das kommt vor, wenn jemandem schuldlos ein Prozess aufgezwungen wird, in dem er sich entsprechend verteidigen und wehren muss, und wenn er aus diesem Prozess als eindeutiger Sieger hervorgeht.

Häufigstes Beispiel ist der Vaterschaftsprozess, wenn der Beklagte seine Nichtschuld glaubhaft machen kann. Auch ein Scheidungsprozess, den ein Ehepartner aus überwie-gendem Verschulden des anderen (Misshandlungen!) an-strengt, kann zu absetzbaren Prozesskosten führen.

Nicht selten wird auch ein Verfahren aufgezwungen, in dem sich ein Bürger gegen Anschuldigungen zur Wehr setzen muss, die sich letztlich als haltlos erweisen. Die vom Beklagten getragenen Kosten sind agB. Dass alle diese Ausgaben vom Finanzamt um einen Selbstbehalt vermindert werden, ist schwer verständlich, aber so steht's im Gesetz.

Abwehr der Rufschädigung

Bleibt noch der Sektor des Miet- und Pachtrechts, in dem Prozesse nahezu Tagespraxis sind. Handelt es sich um Verfahren zur Hereinbringung von Miet- und Pachtgeldern, um Kündigungsprozesse oder zur Klärung der angemessenen Miete/Betriebskosten, dann liegen unzweifelhaft absetzbare Prozesskosten vor.

Und die Ausgaben unseres wenig geachteten Politikers zur Wiederherstellung seiner angeknacksten Reputation? Durch die erlittene Schmach hatte sich der Mann in seinem Erwerb und Fortkommen gefährdet gefühlt. Da zeigte sich der UFS unerwartet mitfühlend und erklärte die Ausgaben trotz erfolglosen Gerichtsverfahrens als ausschließlich beruflich veranlasst und damit voll steuerabsetzbar. Eine Argumentationskette, die man sich merken sollte.