Das ganze schreibende Volk gegen sich zu haben, ist sicherlich nicht sehr angenehm. Der Aufstand im Fall des von der Staatsanwaltschaft geforderten und vom ORF nicht herausgegebenen Dreh-Rohmaterials zur ORF-Skinhead-Reportage wurde stärker. Und so nützte die SPÖ die Gunst der Stunde, machte sich für die Pressefreiheit, im Besonderen für das Redaktionsgeheimnis stark und forderte eine Gesetzesänderung.
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Auch ORF-Chef Alexander Wrabetz überlegte es sich kurzerhand. Mit der richtigen politischen Rückendeckung will auch er es wagen, den Kampf gegen die Justiz aufzunehmen. Und riskiert damit einmal mehr das Image einer schwachen Führung. "Wir geben die Bänder nicht heraus." "Wir geben die Bänder heraus." "Wir geben die Bänder nun doch nicht heraus." So der Zickzack-Kurs des führenden Medienunternehmens in Österreich.
Der Fall ist schon längst zum Politikum geworden. Bereits in seinem Ursprung, als FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einen ORF-Redakteur beschuldigte, Jugendliche zur Widerbetätigung anzustiften. Es stand Aussage gegen Aussage. Die Vermutung allein reichte aus, um einen monatelangen Rechtsstreit zu führen - der vor allem seitens der FPÖ auch außerhalb der Gerichte hochgepeitscht wurde.
Klar aus dieser öffentlichen Debatte geht allerdings nur eines hervor: Die österreichische Pressefreiheit steht auf wackeligen Beinen. "Es ist sehr auffallend, dass es in Österreich generell wenig Bewusstsein für Grundrechte gibt", sagt eine Wiener Anwältin, die in Sachen Pressefreiheit den Gang zum Europäischen Gerichtshof in Straßburg mehr als einmal schon beschritt.
Seit Jahrzehnten schon hagelt es Verurteilungen aus Straßburg. Dann nämlich, wenn der Europäische Gerichtshof - nach ergangenem Urteil des Oberlandesgerichts in Wien, der letzten Instanz in Österreich - eine Rechtsverletzung im Staat Österreich erkennt. Dann muss Österreich Strafe zahlen und schlussendlich der Steuerzahler.
Die damalige Justizministerin Maria Berger (SPÖ) hatte damals, um die zahlreichen Verurteilungen in Straßburg abzufangen, am Obersten Gerichtshof einen eigenen Mediensenat eingerichtet.
Doch der ORF selbst hat keine Ahnung, wie die Pressefreiheit zu sehen ist, wann verdächtige Bänder herausgeben werden müssen und wann nicht. Das Flaggschiff ORF scheint in diesem Fall ohne klarem Kurs zu sein. Und die Abhängigkeit des ORF von der Politik tritt anhand dieses Falles einmal mehr deutlich zu Tage.
Auch Österreichs Printjournalisten sind der Unsicherheit im Umgang mit der Pressefreiheit ausgeliefert, wie im Fall "Hypo-Alpe-Adria" zu sehen ist. Journalisten müssten nach dem Herkunftslandprinzip und nicht nach deutschen Recht behandelt werden. Es ist daher höchst an der Zeit, klare Regelungen im Umgang mit der Pressefreiheit zu finden.
Siehe auch:Ministerium pocht auf Rechtsstaat