Linke Gruppen dominieren Demo. | Schwerer Stand für SPÖ-Jugend. | Wien. Eigentlich hätte es eine Schülerdemonstration für mehr Geld fürs Bildungssystem und gegen die Pläne zur Lehrermehrarbeit von Unterrichtsministerin Claudia Schmied werden sollen. Die Veranstaltung verkam jedoch zu einer Phrasendrescherei, bei der die Bildung fast vergessen wurde.
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Montag, 9 Uhr am Stephansplatz. Rund 1000 Schüler folgen dem Streik-Aufruf der Sozialistischen Linkspartei und der linken Jugendorganisation "Revolution". Angesichts dieser Organisatoren nicht unerwartet rückt bei der Demo die Bildungsdebatte zugunsten einer Globalkritik an Regierung und - heutzutage fast schon ein Muss - der "neoliberalen" Wirtschaftskrise in den Hintergrund.
"Streik, Streik, Streik heißt die Devise, wir zahlen nicht für eure Krise."
Allerdings scheinen es vor allem die Redner auf einem zur Bühne umfunktionierten Lieferwagen zu sein, denen diese Parolen ein echtes Anliegen sind. Die meisten Schüler wirken eher etwas befremdet.
"Ich bin da, weil meine Mutter selbst Lehrerin ist und ich nicht will, dass sie länger arbeiten muss", erklärt eine Gymnasiastin aus dem dritten Wiener Bezirk. Gemeinsam mit ihren Freundinnen steht sie eher am Rande der Demo. Eine ihrer Klassenkameradinnen ist überzeugt davon, dass die Mehrarbeit der Lehrer negative Folgen auch für die Schüler hätte. Welche genau? Das weiß sie auch nicht so recht.
"Streik in der Schule, Streik in der Fabrik - das ist uns´re Antwort auf ihre Politik."
Er sei hier, weil es um seine Überzeugung und seine Bildung gehe, erklärt ein Schulsprecher aus Wien-Landstraße. Da sind dem Achtklassler die unentschuldigten Fehlstunden "auch egal". Bei den Parolen hält er sich aber zurück. "Man kann auch still protestieren", meint er.
"Hoch die Internationale Solidarität."
Die Bildungspolitik scheint bei den Rednern gänzlich in Vergessenheit geraten zu sein, dafür dominieren linke Slogans. Es geht um die Krise, um Ausbeutung, um Neoliberale, um Milliarden für Banken. "Wir streiken, damit die Banken nicht noch mehr Profit auf unsere Kosten machen", ereifert sich ein junger Aktivist von "Revolution". Schließlich bringt Klaus Baumgartner von der SPÖ-nahen AKS das Schulthema aber doch wieder aufs Tapet:
"Eine Schule für alle, sonst gibt´s Krawalle."
Krawalle gibt es keine, allerdings dringt der AKS-Vorsitzende bei den Demonstranten kaum durch mit seinem Wunsch nach mehr Geld für sozialdemokratische Bildungsprojekte. Die Stimmung ist ziemlich Anti-SPÖ. Schließlich sei es "voll gelogen", dass die SPÖ für Arbeitsplätze kämpfe, schimpft einer. Das sehe man schon an der Mehrarbeit für Lehrer, die Tausende Jobs koste.
"Bildungsklau im ganzen Land, uns´re Antwort: Widerstand."
"Ganz genau", lallt ein Schüler mit einer Bierdose in der Hand. Er bildet mit seinen Freunden die Nachhut, als sich der Demonstrationszug in Bewegung setzt. Vor dem Unterrichtsministerium wird die Ministerin, gerade in Verhandlungen mit den Lehrern, mit gellenden Pfiffen bedacht.
"Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut."
Jetzt erst schließt sich das Fenster des Verhandlungszimmers im ersten Stock. Die Reden werden indes immer kämpferischer, aggressiver. Die Redner kreischen fast, ihre Stimmen überschlagen sich, die Menge wirkt aufgepeitscht. Ein Vertreter der Kommunistischen Jugend begrüßt die "Genossinnen und Genossen" und wehrt sich gegen den "Klassenkampf im Bildungssystem".
"Bildung bloß für Reiche, nur über meine Leiche."
Das große Feindbild des jungen Kommunisten ist die "rosarote Gruppe um Schmied". Jetzt gelte es, "die Straßen wieder rot zu machen". Als schließlich
"Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten"
skandiert wird, platzt einem zufällig vorbeigekommenen älteren Passanten der Kragen. Er stürzt in die Menge und versucht, den jungen Aktivisten das Megaphon zu entreißen. Später erklärt er der "Wiener Zeitung", er empfinde solche Sprüche als "persönliche Beleidigung", vor allem 75 Jahre nach den Februarkämpfen. Sein kurzer Ausraster sollte der einzige Zwischenfall bleiben.
"A, Anti, Anticapitalista."
Die Demonstration verläuft sich. Übrig bleiben unzählige Handzettel, auf denen Sozialistische Linkspartei und "Revolution" für ihre Sache werben. Eine Vertelstunde später ist auch davon nichts mehr zu sehen. Der Putztrupp hat ganze Arbeit geleistet.
Ähnliche Demonstrationen fanden in allen Landeshauptstädten (außer Eisenstadt) statt. In Salzburg gingen laut Polizei sogar 3000 Schüler auf die Straße.