)
Bundeskanzler Schallenberg soll wieder Ruhe in die österreichische Innenpolitik bringen. Kann ihm das gelingen?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
So etwas wie ein Déjà-vu hat Alexander Schallenberg am vergangenen Samstag um
3 Uhr Früh erlebt. In einer SMS schreibt Noch-Bundeskanzler Sebastian Kurz, dass man "reden" müsse. Dem vorangegangen ist eine nächtliche Krisensitzung am Ballhausplatz, bei der Kurz gedämmert ist, dass das - zumindest vorläufige - Ende seiner Kanzlerschaft angebrochen ist. Um 11.00 Uhr ist bei Schallenberg dann Kurz am Telefon und macht Schallenberg das Angebot, Kanzler zu werden. Kurz drängt auf eine schnelle Antwort, doch Schallenberg erbittet Bedenkzeit, um zuvor seinen 91-jährigen Vater sowie seine drei Söhne und seine Tochter um deren Meinung fragen, wie "heute"-Chefredakteur Christian Nusser in einem Beitrag schreibt. Schallenberg sagt zu, am Montag wird er bei seiner Angelobung bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagen, es sei eine "Ehre", als Kanzler angelobt worden zu sein - eine, "die ich mir nie erwartet hätte, und die ich mir auch nie gewünscht habe". Er habe "großen Respekt" vor dem Amt - die Verantwortung nicht zu übernehmen, sei aber auch keine Option gewesen, als er von Kurz gefragt worden sei.
Zweimal Joker
Auch Außenminister wurde Schallenberg auf ungewöhnlichem Weg: Im Juni 2019 war Schallenberg von Bundespräsident Van der Bellen gebeten worden, das Außenministerium von Karin Kneissl zu übernehmen, nachdem das Kabinett Kurz I wegen der Ibiza-Affäre implodiert war. Nach der Übergangsregierung von Brigitte Bierlein war Schallenberg der einzige Minister, der von Kurz ins Kabinett Kurz II übernommen wurde.
Doch wer ist Alexander Schallenberg?
Schallenberg entstammt einem Mühlviertler Adelsgeschlecht, die Burgruine Schallenberg (aus dem Jahr 1231) liegt rund 30 Autokilometer nördlich von Linz im Bezirk Rohrbach - heute sind nur mehr Ruinenreste übrig.
Der bürgerlich-liberale Schallenberg ist Sohn des Karrierediplomaten Wolfgang Schallenberg und wuchs in Indien, Spanien und Paris auf (den Botschafterstationen seines Vaters), studierte in Wien, Paris und Brügge Rechtswissenschaft und trat 1997 in den diplomatischen Dienst ein, wo er zuerst bei der europäischen Vertretung in Brüssel und danach bei Außenministerin Ursula Plassnik, bei Außenminister Michael Spindelegger und schließlich bei Sebastian Kurz arbeitete.
Weltoffener Internationalist?
Kurz ernannte ihn im Jahr 2013 zum Leiter der Stabstelle für strategische außenpolitische Planung, 2016 wurde er Leiter der Europa-Sektion.
So weit zu den biografischen Eckdaten. Doch wie tickt der neue Bundeskanzler?
Schallenberg galt stets als weltoffener, liberaler Internationalist, doch als ÖVP-Außenminister litt dieser Ruf: Nach seinem Amtsantritt als Außenminister verteidigte er die Position der ÖVP-FPÖ-Regierung, dem UN-Migrationspakt nicht beizutreten, später lehnte er die Aufnahme von Bootsflüchtlingen aus dem Mittelmeer oder die Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen aus dem niedergebrannten griechischen Flüchtlingslager Moria ab und wurde dafür nicht zuletzt von den Grünen attackiert. In Sachen Migrationspolitik bezeichnete er sich selbst im September 2020 in einem "profil"-Interview als "Überzeugungstäter". Man hörte in der Vergangenheit auch immer wieder, dass Schallenberg bei den Hilfsorganisationen Eigeninteressen vermutet, wenn diese das Schicksal von Flüchtlingen beklagen und Österreich zu solidarischem Handeln auffordern. Als im Mai die Hamas Raketen auf Israel abfeuerte, ließen Kurz und Schallenberg die israelische Flagge auf dem Bundeskanzleramt und dem Außenministerium hissen - was beiden Kritik von Seiten von Außenministeriums-Beamten einbrachte, die Österreichs Neutralität gefährdet sahen.
Imagepolitur für die Politik
Kritiker - auch von Seiten des grünen Koalitionspartners - bemängelten auch, dass das Außenministerium unter seiner Führung keine Kante gegenüber den Problemländern Ungarn und Polen zeigt. Erst vor kurzem darauf angesprochen, sagte Schallenberg gegenüber der "Wiener Zeitung", dass gerade Österreich eines jener Länder sein sollte, das die Gesprächskanäle nach allen Seiten hin offen hält. Als Beispiel nannte er auch Weißrussland, wo es mit dem Regime in Minsk Gespräche gebe, aber man gleichzeitig mit der Opposition in Kontakt stehe und die gemeinsamen EU-Sanktionen unterstütze.
Was ist nun von Schallenberg zu erwarten?
Er ist die "untadelige" Figur, die sich die Grünen für das Amt des Bundeskanzlers gewünscht haben. In der Medienpolitik darf man sich Änderungen erwarten: Schallenberg legt mehr Wert darauf, was in Qualitätszeitungen und von Nachrichtensendern verbreitet wird - Journalisten attestieren ihm einen korrekten Umgang mit den Medien. Schallenberg sollte es auch rasch gelingen, das nach den Jahren von Schwarz-Blau, der Ibiza-Affäre und dem unrühmlichen Rücktritt von Kanzler Kurz ramponierte Image Österreichs wieder aufzupolieren. Zum Problem werden könnte ihm seine Nähe zu Sebastian Kurz. Es ist Schallenberg aber zuzutrauen, dass er wieder ein wenig Ruhe in die österreichische Innenpolitik bringt.