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Den durch einen Rechtsstreit ausgelösten teilweisen Staatsbankrott Argentiniens kommentierte der US-Ökonom Joseph E. Stiglitz ungewöhnlich deftig: "Es werden derzeit auf der Welt eine Menge Bomben herumgeschmissen, und jetzt schmeißt auch noch Amerika eine Bombe ins Weltwirtschaftssystem. Wir wissen nicht, wie groß die Explosion sein wird - aber sie wird nicht auf Argentinien beschränkt bleiben."
Worum geht es? Der Hedgefonds Elliott Management des libertär denkenden Republikaners Paul E. Singer hat Ende 2001 nach dem letzten argentinischen Staatsbankrott Staatsanleihen zum Schnäppchenpreis von 170 Millionen Dollar gekauft - die billigsten um 15 Cent pro Dollar Schulden - und darauf spekuliert, den vollen Nennwert der Anleihen plus Zinsen einzutreiben. Unter anderem so macht Elliott seine Gewinne: Der Fonds wirft eine jährliche Rendite von rund 15 Prozent ab.
Doch Argentinien hatte einen Schuldenschnitt verhandelt, den die meisten Investoren auch akzeptiert haben. Nicht so Elliott Management. Elliott hat Argentinien vor einem US-Gericht auf 1,5 Milliarden Dollar geklagt, und der New Yorker Richter hat nun geurteilt, dass Argentinien, wenn es die laufenden Rückzahlungen seiner Staatsanleihen tätigt, Elliott nicht einfach übergehen darf.
Das Litigation-Geschäftsmodell von Hedgefonds wie Elliott Management ist im gegenständlichen Fall höchst zweifelhaft und wird Staatsschuldenrestrukturierungen in Zukunft deutlich erschweren. Denn warum sollen Investoren jemals noch auf einen Schuldenschnitt einsteigen, wenn Hedgefonds vor Gericht die Rückzahlung des vollen Nennwerts erstreiten? Der Ökonom Stiglitz meint, dass damit die wirtschaftliche Not schwer verschuldeter Länder noch vergrößert werde: "Singer und Elliott haben eine Menge Schaden angerichtet." Vor diesem Hintergrund ist es durchaus verständlich, dass Argentinien vor Elliott nicht in die Knie gehen wollte. Die Tatsache, dass 2015 Präsidentschaftswahlen anstehen, wird wohl ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Ob Argentiniens Spiel mit dem Feuer freilich klug war, ist eine andere Frage: Die Wirtschaft des Landes stagniert, das Land ist von den internationalen Anleihemärkten praktisch abgeklemmt. Übrig bleibt: Wer geglaubt hat, auf den internationalen Finanzmärkten agieren verantwortungsbewusste, rationale Player, ist einmal mehr enttäuscht worden.