Der slowakische Premier Robert Fico fährt in der Flüchtlingsfrage einen knallharten Kurs. Er will keine Stimmen an die Rechten verlieren. Im März finden Wahlen statt.
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Bratislava. Die nächsten regulären Parlamentswahlen finden in der Slowakei erst am 5. März 2016 statt. Doch der Nationalrat kommt in diesen Tagen schon zu seinen letzten planmäßigen Beratungen vor dem Urnengang zusammen. Die slowakischen Medien sind sich einig: Selbst wenn die Abgeordneten wegen der Fülle an Krisen in Europa noch zu Sondersitzungen erscheinen müssten, würde das an der politischen Situation im eigenen Land nichts ändern.
Der sozialdemokratische Ministerpräsident Robert Fico liegt in Umfragen weit vorn. Die von ihm geführte Smer-SD kommt derzeit auf knapp 36 Prozent der Wählerstimmen, auch viele derzeit noch unentschiedene Wahlberechtigte zeigen zumindest eine gewisse Präferenz für Fico. Die zweitstärkste Kraft, die gemäßigt-liberale Siet des Verfassungsjuristen Radoslav Prochazka, kommt auf gerade einmal 15 Prozent. Sollten sich die Vorhersagen erfüllen, wäre Fico der erste slowakische Regierungschef, der, nach 2006 und 2012, zum dritten Mal gewählt würde.
Erst vor kurzem hat das Kabinett in Bratislava ein Paket deutlich verbesserter Sozialleistungen geschnürt. Doch das ist nicht der Hauptgrund für die Popularität des Ministerpräsidenten. Ficos Anhänger rechnen ihm vielmehr an, dass er in der Flüchtlingsfrage glasklar Position bezogen hat.
Scheinbare Härte
Der Regierungschef wettert seit Monaten gegen Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der gesamten Europäischen Union. Den Ende September von den EU-Innenministern beschlossenen Schlüssel will er vor dem Europäischen Gerichtshof zu Fall bringen, weil allein der Europäische Rat über einen Verteilungsplan entscheiden könne. So entschlossen treten nur wenige von Ficos Amtskollegen in der EU auf. Die scheinbare Härte des Slowaken wird außerdem durch das Verhalten der Opposition noch untermauert. In der Sache widerspricht niemand, mag auch der eine oder andere Abgeordnete laut darüber nachdenken, ob eine Klage nicht dem Ansehen der Slowakei schade.
All das lässt an die heftigen Diskussionen über den Eurorettungsschirm im Oktober 2011 denken. Ausgerechnet durch das Ja der bis dato als europafeindlich gescholtenen Smer-SD wurde damals in einer zweiten Abstimmung der Weg frei für die Milliardenhilfen. Robert Fico hat nicht vergessen, dass er dabei auch den Grundstein für vorgezogene Parlamentswahlen legte, aus denen er als überlegener Sieger hervorging.
Nach außen gibt sich der Sozialdemokrat knallhart. Aus dem Machtzirkel der Smer-SD sind jedoch andere, versöhnlichere Töne zu vernehmen. Vor den bald anstehenden Wahlen müsse Fico so auftreten, wie er es derzeit tue. Andernfalls laufe er Gefahr, wieder mit der Slowakischen Nationalpartei (SNS) regieren zu müssen, mit der er zwischen 2006 und 2010 koalierte. Umfragen zufolge würde den Wähler eher eine Koalition mit Prochazkas Siet zusagen. Eine langfristige Zusammenarbeit der Linken mit dem bürgerlichen Lager wäre allerdings ein Novum.
Die Nationalisten liegen derzeit in Umfragen bei sieben Prozent. Fico hat sicher auch den November 2013 nicht vergessen. Damals fegte der Rechtsextremist Marian Kotleba Ficos den in Umfragen deutlich führenden Parteifreund Vladimir Manka als Gespan des Verwaltungsbezirks Banska Bystrica aus dem Amt.
Fico bediente bis vor kurzem keine Ressentiments gegen bestimmte nationale, ethnische oder religiöse Gruppen. Nach den Massakern von Paris kündigte er allerdings an, die Aufenthaltsberechtigungen eines jeden Moslem in der Slowakei würden überprüft. Die nationale Sicherheit habe für seine Regierung oberste Priorität und mit Ausnahme des norwegischen Massenmörders Anders B. Breivik seien terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren Moslems zuzuschreiben. In Kürze gelten deutlich verschärfte Vorschriften zur inneren Sicherheit, wogegen kein wesentlicher Protest der Opposition laut wurde. Ermittler haben nun mehr Eingriffsbefugnisse gegenüber mutmaßlichen Terroristen. Außerdem kann das Innenministerium schneller als bisher Anti-Terror-Einheiten bilden und dafür auch Kräfte aus anderen Ressorts abziehen.
Wenn sich Fico generell gegen die Aufnahme von Muslimen verwehrt, kann er darauf verweisen, dass die Slowakei laut Verfassung ohnehin eine christliche Republik ist und der Islam anders als in den anderen Staaten der Visegrad-Gruppe Polen, Tschechien oder Ungarn in der Geschichte des Nachbarlandes noch nie als Religionsgemeinschaft anerkannt war. In beiden Fällen bleibt also Spielraum dafür, hier zu einem späteren Zeitpunkt Zugeständnisse zu machen.
Der Kampf gegen Quoten wiederum kann für Fico nur positiv ausgehen. Scheitert er, tritt ein, womit ohnehin alle rechnen, der Regierungschef hat dann aber zumindest bis zum Letzten gekämpft. Setzt er sich durch, lässt sich dies zu einer historischen Großtat stilisieren.
Die feinen Unterschiede
Auf europäischer Ebene wird Fico derzeit gern in Einheit mit seinen Amtskollegen aus der Visegrad-Gruppe wahrgenommen. Doch das ist zu einfach, wie schon der unterschiedliche Umgang mit der Religion Islam in den einzelnen Ländern zeigt.
Fico hat mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán gemeinsam, dass sich auch bei diesem derzeit vieles aus einer Abgrenzung zur Rechten heraus erklären lässt. Slowakei und Ungarn sind zuständig für die Sicherung der EU-Außengrenzen. Ungarn liegt jedoch mitten auf der Balkan-Route der Flüchtlinge, während die Slowakei nur selten direkt angesteuert wird und die Regierung vor allem eine Bevormundung durch Brüssel befürchtet.
Ähnlich sieht es der tschechische Premier Bohuslav Sobotka. Immerhin nimmt Tschechien, vom Ausland oft unbemerkt, Angehörige tschechischer Minderheiten auf, die aus Krisenregionen stammen. Die liberale Ex-Regierung in Polen stimmte für EU-Quoten, wurde aber bei den jüngsten Wahlen abgestraft. Die Berührungsängste der Bevölkerung werden gern damit erklärt, dass Polen mit einem Ausländeranteil von nicht einmal 0,27 Prozent ethnisch nahezu homogen ist. In den anderen Visegrad-Staaten gibt es hingegen vergleichsweise viele Minderheiten.