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Unter Misstrauensvorbehalt

Von Walter Hämmerle

Politik

Debatte um Pensionen: Khol sieht grundlegende Planungsmängel beim statistischen Grundlagenmaterial.


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Wien. SPÖ und ÖVP liefern sich derzeit einen Schlagabtausch um Für und Wider einer Pensionsautomatik, also einer automatischen Anpassung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung. Vizekanzler ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner fordert diese vehement ein ("derzeit sind die Menschen im Schnitt 38 Jahre in Arbeit, 43 Jahre in Ausbildung und Pension - das kann sich irgendwann nicht mehr ausgehen"), Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann ist mindestens ebenso energisch dagegen ("es ist unverständlich, dass man heute den Eindruck erweckt, dass heute, jetzt der Bedarf bestehe, etwas zu automatisieren").

Hinter der Auseinandersetzung innerhalb der Regierung steckt nicht eine unterschiedliche sachpolitische Bewertung, für Andreas Khol, Obmann des ÖVP-Seniorenbundes hat der Konflikt viel grundsätzlichere Ursachen: "Alle Statistiken zum Pensionsthema stehen in Österreich unter einem Misstrauensvorbehalt, man kann ihnen nicht trauen", erklärt Khol bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten.

Österreich als statistisches Entwicklungsland?

Er sieht entsprechend gravierende Mängel bei den Planungsgrundlagen für das österreichische Altersvorsorgesystem: Das statistische Zahlenmaterial sollte in Khols Augen nicht vom politisch geführten Sozialministerium zusammengestellt werden, sondern von einem weisungsfreien Expertengremium. Einen politischen Bias unterstellt der ÖVP-Politiker sowohl Statistik Austria, der offiziellen Statistikbehörde der Republik, wie auch diversen Forschungsinstituten im Umfeld von Wirtschaft und Industrie.

Ein Dorn im Auge ist Khol auch die politische Zusammensetzung der Pensionskommission. Dieses beim Sozialministerium angesiedelte Gremium setzt sich derzeit aus Vertretern der Nationalratsparteien, Sozialpartnern, Pensionistenvertretern und Experten zusammen. Dabei haben sich eigentlich SPÖ und ÖVP im Regierungsübereinkommen nach den Wahlen 2013 darauf geeinigt, die Zusammensetzung der Kommission zu ändern. Künftig solle die Erstellung der Gutachten über die langfristige Entwicklung des Pensionsystems Expertensache sein. So könne in Zukunft vermieden werden, dass die langfristigen Basisgutachten der Kommission grundlegende Entwicklungen etwa bei der Zahl der Zuwanderung, bei Erwerbsquoten und der Höhe des Bundeszuschusses zu oft von der Realität korrigiert werden müssten.

Khols Resumee: "Österreich ist ein Entwicklungsland auf dem Gebiet der Pensionsstatistik."

Doch dies ist bei den Pensionen nicht der einzige Punkt des Regierungsprogramms, der weiter auf seine Umsetzung harrt: Auch die Einführung eines Bonus/Malussystem für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer sowie die Umsetzung des Pensionsmonitorings liegen derzeit auf Eis, weil die Sozialpartner keine Einigung erzielen. Beim Bonus/Malus legt sich die Wirtschaft quer, beim Monitoring die Gewerkschaft. Dem Seniorenvertreter Khol ist dies einerlei, er fordert, dass sich "die Regierung gegen die Sozialpartner durchsetzt".

Und wie hält es Khol mit dem Streit um die Pensionsautomatik? Er plädiert für eine Gleitpension, deren Formel bei Handlungsbedarf politisch festgelegt wird, analog etwa zur Ermittlung des Verbraucherpreisindex. Das Gute an diesem Zugang: Der politisch polarisierende Begriff "Pensionsautomatik" kommt darin nicht vor. Immerhin ist darüber schon einmal ein SPÖ-Vorsitzender und Bundeskanzler gestolpert; 2008 gab Alfred Gusenbauer grünes Licht dafür, kurz darauf wurde er von Werner Faymann abgelöst.