Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Können wir darüber am Telefon reden, bitte?" Das ist eine unfreiwillige Pointe im Datenkonvolut, das Wikileaks Donnerstagnacht online gestellt hat. Es handelt sich um 30.287 Dokumente und 173.132 E-Mails. Die Daten stammen vom US-Unterhaltungsunternehmen Sony, sie wurden vor fünf Monaten gehackt. Damals hielt man nordkoreanische Hacker für die Schuldigen, war der Cyberangriff doch verbunden mit Drohungen, falls Sonys Nordkorea-Satire "The Interview" ins Kino komme. Nun hat also Wikileaks die Informationen zugänglich gemacht, die Suchfunktion lässt bequem in den Mails stöbern. Gibt man etwa "spoiled brat" (verwöhnte Göre) ein, liest man, wie Produzent Scott Rudin seiner Antipathie gegenüber Angelina Jolie freien Lauf lässt. Gibt man das Suchwort "Hacking" ein, findet man ein ganzes Buch. Im Vorwort steht: "Das Buch ist für alle, die die Techniken lernen wollen, die die ausgefeiltesten Angreifer heute anwenden."
Julian Assange argumentiert, dass die Dokumente Verbindungen von Sony ins Weiße Haus, zur Demokratischen Partei sowie zur Rüstungsindustrie zeigen. Das mag sein. Nach ersten Suchläufen zeigt sich, dass die meisten Mails einfach dröge Unternehmenskommunikation sind, wie sie jeder aus dem Alltag kennt. Von unverdächtigen Mitarbeitern. Inklusive Hochzeitseinladung. Es ist schon klar: Ungefiltert heißt auch unzensuriert. Trotzdem handelt es sich immer noch um auf kriminellem Wege erhaltene Daten, die wohl nur im Ausnahmefall von höchstem Wert für die Öffentlichkeit ist. Vielleicht sollte man grundsätzlich in Zukunft öfter zum Telefon greifen.