Tagung in Wien untersucht Endzeitvorstellungen der Religionen im Mittelalter.
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Wien. Fremde strömen ins Land. Wenn dadurch Ängste ausgelöst und sogar apokalyptische Szenarien heraufbeschworen werden, und dies von politischen Kräften noch für ihre Zwecke instrumentalisiert wird, so ist das nichts Neues. Das gab es schon im Mittelalter, dessen Endzeitvorstellungen von 24. bis 26. September Thema der vom Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) organisierten internationalen Konferenz "Making Ends Meet" sind. Es gehe darum, die diesbezüglichen Parallelen und Unterschiede in den großen Religionen, vor allem in Christentum, Islam und Buddhismus, aufzuzeigen, sagt Institutsdirektor Walter Pohl, Historiker an der Uni Wien.
Die Wiener Konferenz findet im Rahmen des über mehrere Jahre vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Spezialforschungsbereichs "Visions of Community" (SFB Viscom) statt. Dieser biete, so Pohl, die Chance, "diese drei Weltreligionen und ihre Gemeinschaftsvorstellungen auf verschiedensten Ebenen zu vergleichen. Und dabei hat sich die Ebene Endzeitvorstellungen, apokalyptische Visionen und ihr gesellschaftlicher Gebrauch als besonders ergiebiges Vergleichsbeispiel unter anderen herausgebildet."
Punkto Endzeitvorstellungen seien jüdische, christliche und islamische Tradition eng verbunden, sagt Pohl, "weil sie alle letztlich aus dem Alten Testament abzuleiten sind". So habe man immer das Auftauchen der Reitervölker Gog und Magog befürchtet, weil damit eine Bedrohung der gesamten Welt in ihren Grundfesten assoziiert wurde. Gog und Magog kommen schon beim Propheten Ezechiel vor, dann in der Apokalypse des Johannes (den man einst fälschlich mit dem Apostel Johannes gleichsetzte) und schließlich im Islam - wo im 9. Jahrhundert ein Kalif sogar eine Expedition auf die Suche nach Gog und Magog schickte .
Bedrohungen von außen
Während für Judentum, Christentum und Islam eine lineare Entwicklung von der Schöpfung auf ein Ende hin stattfindet, hat der Buddhismus ein zyklisches Zeitverständnis, sagt Co-Organisatorin Veronika Wieser, die sich seit Jahren mit Apokalyptik beschäftigt: "Die Ähnlichkeit besteht darin, dass es im Buddhismus immer wieder Vorstellungen vom Ende der eigenen Religion gibt oder davon, wenn ein Zyklus zu Ende geht und wie dieses Ende aussieht. Und da wird sehr wohl ein Endpunkt gesetzt." "Making Ends Meet" spiele mit der Idee, "dass wir gerade in der Bibel und gerade in heiligen Schriften, wie hier in der Eschatologie, ein Repertoire finden, um politische Zusammenhänge zu erklären und in ein bestimmtes Licht zu rücken".
Das Motiv von Gog und Magog komme zum Beispiel nicht konstant in der Geschichte vor. Doch, so Wieser, "gerade im Weströmischen Reich zur Zeit der Völkerwanderung hat man in diesen prophetischen Stellen eine Art Erklärung gefunden, um barbarische Völker wie die Hunnen und Goten auf eine biblische Art zu denken. Das war mit Ängsten verbunden, aber nicht nur negativ, da Gott zuletzt den Sieg über diese Völker versprochen hatte."
Walter Pohl betont, für das Projekt sei besonders interessant, wie sich Endzeitvorstellungen auf Gemeinschaften auswirken: "Gerade der Mythos von Gog und Magog erlaubt es, Fremdvölkerstereotypen, Vorurteile, aber auch die Organisation von Verteidigung gegen Angriffe von außen mit diesen eschatologischen Motiven zu verbinden." So können als katastrophal empfundene Ereignisse einerseits verarbeitet, "aber auch in politisches Kleingeld umgemünzt werden". So habe man geschaut, welche Völker möglicherweise die Boten der Apokalypse seien und besonders bekämpft werden müssten. Das habe auch erlaubt, "das Gemeinschaftsgefühl zu verstärken".