In der Diskussion zum Unterhalt nach Scheidungen lohnt sich der Blick über die Grenze zum deutschen Nachbarn.
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Durch den gesellschaftlichen Wandel unterliegt das Familienrecht stetigen Veränderungen und fordert vom Gesetzgeber kontinuierliche Adaptierungen. Um unseren Gesellschaftsmodellen zu entsprechen, ist gerade das Eherecht derzeit einem besonderen Wandel unterworfen. Dabei werden auch immer öfter die Regelungen des Unterhaltsrechts als unzufriedenstellend empfunden. In dieser Diskussion lohnt sich der Blick über die Grenze zum deutschen Nachbarn.
Viele Regelungen des Familienrechts und insbesondere des Eherechts werden unseren derzeitigen gesellschaftlichen Vorstellungen nicht mehr umfänglich gerecht, sondern stammen aus jener Zeit, in der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Scheidungen bloß als worst case die Ausnahme zu den lebenslangen Ehen darstellen sollten. Dementsprechend basieren auch die gesetzlichen Regelungen zum nachehelichen Unterhalt bei Scheidungen diesen Vorstellungen und erscheinen in einigen Bereichen überholt und nicht mehr zeitgemäß.
Unterhaltspflicht je nach Verschulden
In Österreich hängt die nacheheliche Unterhaltspflicht primär von der Vereinbarung der ehemaligen Ehepartner ab, was auch dem Regelfall bei der einvernehmlichen Scheidung entspricht. Liegt allerdings eine derartige, einvernehmliche Einigung nicht vor, richtet sich der Scheidungsunterhalt nach dem Verschulden der Ehegatten. Konkret bedeutet das, dass der überwiegend Schuldige am Ehebruch angemessenen Unterhalt leisten muss, sofern die Einkünfte oder das Vermögen des "unschuldigen" Ehegatten nicht zur Selbstversorgung ausreichen. In jenen Fällen, in denen das Verschulden am Ehebruch schlichtweg nicht einem Ehepartner zugewiesen werden kann, kann das Gericht einen Unterhaltsbeitrag billigen, sofern sich dieser Ehegatte nicht aus seinem eigenen Vermögen erhalten kann. Ein derartiger Unterhalt fällt in der Regel allerdings deutlich geringer aus als der Verschuldensunterhalt.
Dies wird bei unseren deutschen Nachbarn jedoch anders gehandhabt: In der deutschen Rechtsordnung ist ein Trennungsunterhalt vorgesehen, der der Sicherstellung des Lebensunterhaltes des anderen Lebenspartners dienen soll. Der deutsche Gesetzgeber hatte dabei insbesondere jene Konstellation vor Augen, bei der lediglich einer der Ehegatten berufstätig ist und der andere finanziell abhängig ist. Der Trennungsunterhalt steht dann zu, wenn beide Ehepartner getrennt leben, einer der Partner (finanzielle) Unterstützung benötigt und der Partner, der den Unterhalt leisten soll, dies tun kann, ohne seinen eigenen Lebensunterhalt zu gefährden.
Trennungsunterhalt nach deutschem Vorbild
Im Normalfall ist der anspruchsberechtige Ehegatte innerhalb eines Jahres nach der Trennung nicht dazu verpflichtet, arbeiten zu gehen, es sei denn, er gibt absichtlich seinen bestehenden Job auf und kommt somit in den "Genuss" des Unterhaltes durch seinen Ehegatten. Zu beachten gilt jedoch, dass der Zeitraum, in dem der Anspruch auf einen Trennungsunterhalt besteht, knapp bemessen ist und daher nur für die Zeit der Trennung bis zur Scheidung zustehen soll. Er dient somit der Absicherung von finanziell abhängigem Ehepartner bei ungeklärten Verhältnissen, ohne sich vorrangig mit der Verschuldensfrage zu beschäftigen.
Tatsächlich unterscheiden sich die Unterhaltssysteme in Deutschland und Österreich stark, und unsere Nachbarn haben – in Hinblick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen – parziell die Nase vorn. In der heutigen Zeit sollte die Deckung der notwendigen Lebenserhaltungskosten nicht mehr alleinig auf dem Verschulden am Ehebruch basieren, da die Verschuldensfrage einerseits oftmals nicht zu 100 Prozent zu klären ist und andererseits teils auf einzelnen manipulierbaren Faktoren basiert, die die Richter mit unüberwindbaren Abwägungsfragen konfrontieren. Während früher der Gesetzgeber noch davon ausging, dass das Verschulden am Ehebruch schlichtweg einem Ehepartner klar zuzuordnen ist, sind die Gründe für Scheidungen heutzutage nicht mehr ganz so eindeutig gelagert.
Gleichzeitig bestehen weiterhin teilweise finanzielle Abhängigkeiten von Ehepartnern, die nach dem österreichischen System zu Ungerechtigkeiten führen können, wenn kein Unterhalt gezahlt werden muss. Die deutsche Variante schafft Abhilfe und regt zumindest zu einer Diskussion über die Reform des Unterhaltsrechts in Österreich an.