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Unternehmen verzichten weiterhin auf Kunden

Von Markus Nutz

Gastkommentare
Markus Nutz ist Geschäftsführer und Eigentümer der Wiener Digital-Lead-Agentur SPiNNWERK, die seit 2010 Kreative, Marketer und Webdeveloper unter einem Dach vereint (www.spinnwerk.at).
© Bernhard Schramm

Barrierefreiheit im Internet ist leider noch lange nicht erreicht.


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Der Welttag der Barrierefreiheit am 18. Mai ist wieder einmal ein Anlass, sich mit diesem Thema intensiver zu beschäftigen. Barrierefreiheit - aber besonders auch deren Fehlen - kommt uns in allen Lebenslagen unter. Die meisten denken da wohl an hohe Gehsteigkanten, fehlende Rampen für Menschen mit Rollstuhl oder Blindenschrift auf Hinweisschildern wie Medikamentenpackungen. Der "Global Accessibility Awareness Day" macht auf einen Aspekt aufmerksam, der oft vergessen wird: Barrierefreiheit im Internet.

Diese digitale Inklusion ist leider noch lange nicht erreicht. Laut einem aktuellen Report der gemeinnützigen Organisation WebAIM mit Sitz in Utah (USA) sind mehr als 96 Prozent der untersuchten Websites nach wie vor nicht komplett barrierefrei, und diese Zahl lässt sich auch auf Österreich umlegen. Bei diesen Websites fehlen zum Beispiel die sogenannten Alt-Texte. Das sind Alternativtexte, die ein Bild oder eine Grafik beschreiben. Vorlese-Anwendungen, sogenannte Screenreader, für blinde und sehbehinderte Menschen können Bilder oder Grafiken nicht "lesen", dafür aber die schriftliche Beschreibung dieser. Videos ohne Untertitel sind gehörlosen Menschen nicht zugänglich. Auch die Formatierung der Überschriften, Pop-ups und vieles mehr machen einen Unterschied, wie viele Menschen inkludiert oder aber ausgeschlossen werden.

Zumindest die Politik hat bereits erkannt, wie schwerwiegend es sein kann, einen Teil der Bevölkerung von mitunter wichtigen Informationen auszuschließen. Seit 2019 gilt daher das Web-Zugänglichkeits-Gesetz (WZG), das den Bund verpflichtet, seine Online-Auftritte sowie auch alle seine mobilen Apps nach internationalen Standards barrierefrei zu gestalten. Mit 28. Juni 2025 soll außerdem der "European Accessibility Act" (Europäischer Rechtsakt zur Barrierefreiheit) in Kraft treten. Diese EU-Richtlinie hat das Ziel, die Anforderungen an die Barrierefreiheit unterschiedlicher Dienstleistungen und Produkte europaweit zu standardisieren.

Bis Mitte 2025 ist es aber noch etwas hin. Das sind zirka zwei Jahre, in denen zahlreiche Unternehmen mit ihren nicht barrierefreien Websites weiterhin viele Menschen mit Behinderung ausschließen. Zwei Jahre, in denen mit vergleichsweise simplen technischen Änderungen viel erreicht werden kann.

Neben der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen und dem Bestreben für eine gleichberechtigte Gesellschaft überzeugen die Firmen vielleicht die rein wirtschaftlichen Gründe für die Umstellung: Ohne barrierefreie Websites verzichten Unternehmen de facto freiwillig auf zahlreiche Kunden, die sich nicht über die Produkte oder Dienstleistungen informieren oder diese nicht über den Webshop bestellen können. Videos mit Untertitel kommen bei allen gut an, die diese in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit einem schlafenden Baby auf dem Arm schauen möchten. Websites mit Alt-Texten werden übrigens auch bei der Suchmaschinensuche weiter oben angezeigt. Es spricht also alles für und nichts gegen digitale Inklusion. Und so können vielleicht zum nächsten Welttag der Barrierefreiheit am 16. Mai 2024 schon bessere Zahlen vermeldet werden.