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Hillary Clinton akzeptiert ihre Nominierung - und buhlt um Stimmen der Sanders-Fans und Moderaten.
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Washington D.C./Philadelphia. Das letzte Wort ist gesprochen, die letzten Argumente präsentiert. Jetzt ist die Jury am Wort. Tagen wird sie rund vier Monate lang, bis 8. November, dann wird das Urteil verlautbart. Hillary Rodham Clinton hat in der Nacht zum Freitag die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei Amerikas akzeptiert, ihre Rede hielt die gelernte Juristin im Stile eines Schlussplädoyers.
Bevor die 68-Jährige Ex-Außenministerin, die zuvor in einer sehr persönlich gehaltenen Rede von ihrer Tochter Chelsea vorgestellt worden war, ans Eingemachte ging, hob sie noch einmal die Geschichtsträchtigkeit des Moments hervor: Clinton ist in der 240-jährigen Geschichte der Vereinigten Staaten die erste Frau, die von einer großen Partei als Kandidatin für das höchste Amt im Staat nominiert wurde. Um den nächsten Meilenstein zu erreichen, den Einzug ins Weiße Haus (das sie als First Lady von 1992 bis 2000 schon einmal bewohnte, in der Amtszeit ihres Ehemanns Bill), steht ihr noch einiges an Arbeit bevor. Eines lässt sich indes schon jetzt mit Bestimmtheit sagen: An ihrer Nominierungsrede in Philadelphia wird es nicht gelegen haben, wenn sie verliert.
Dank an Widersacher Sanders
Abgesehen von den ortsüblichen Loyalitätsbekenntnissen zu Familie, Vaterland und Militär bekannte Clinton, dass sie Bernie Sanders, der 74-jährige Senator aus Vermont, der ihr während der Vorwahlphase ein denkwürdiges Match geliefert hatte, de facto zu einem besseren Kandidaten gemacht hatte. Angesichts ihrer bisherigen politischen Philosophie, die sich am ehesten als "pragmatisch-progressiv" beschreiben lässt und den Ursprüngen ihrer Karriere und der ihres Mannes als "Blue Dogs" – ein in den Neunzigern populärer Begriff für Demokraten in konservativen Bundesstaaten, die oft weiter rechts standen als mancher Republikaner – eine bemerkenswerte Häutung. Clintons Rede enthielt eine gehörige Portion Sanders, von der Anprangerung der mangelnden Verteilungsgerechtigkeit im Land über die Forderung nach einer massiven Erhöhung des Mindestlohns (von derzeit 7,25 auf 15 Dollar) bis zum Bekenntnis, gemeinsam mit ihm daran zu arbeiten, den Zugang zu staatlichen Unis künftig kostenfrei zu gestalten.
Wie ernst es ihr mit der Annahme von Positionen der Parteilinken wirklich ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt freilich unmöglich sagen. Aber allein die Tatsache, dass sie sie zumindest rhetorisch aufgreift, darf schon als Gewinn jener Kräfte bei den Demokraten verbucht werden, die nicht erst seit gestern mit dem traditionell auf die politische Mitte zielenden Parteiestablishment hadern.
Scharfe Worte gegen Trump
Weil es die aber braucht, um einen Kandidaten ins Weiße Haus zu befördern, hatte Clinton auch einen Appell an jene eher zum Konservativismus tendierenden Wähler im Gepäck, die mit der Demagogie eines Donald Trump wenig anfangen können: "Er will, dass wir uns vor der Zukunft und voreinander fürchten (…) Er lässt sich schon von der kleinsten Provokation aus der Ruhe bringen. Man stelle sich diesen Mann im Oval Office vor, wenn er mit einer echten Krise konfrontiert ist." Darüber hinaus gab sich Clinton sichtlich Mühe, potenziellen Wechselwählern ihre Angst vor dem Bild zu nehmen, das konservative Medien gemeinhin von ihr zeichnen: "Ich bin nicht hier, um euch eure Waffen wegzunehmen. Ich will nur zukünftig verhindern, dass ihr von jemandem erschossen werdet, der nie eine Waffe hätte haben dürfen."
Das Narrativ, dass sie auch für Leute wählbar sei, die nicht zur Stammklientel der Demokraten gehören, hatten zuvor bereits eine ganze Reihe von Vorrednern befördert. Den größten Eindruck diesbezüglich hinterließen am letzten Tag der Convention der pensionierte Vier-Sterne-General John Allen, Ex-Vizechef des US Central Command in Tampa, Florida und ehemaliger Chefstratege des Weißen Hauses im Kampf gegen den Islamischen Staat, und Khizr Khan. Letzterer war bis zu seinem Auftritt weniger prominent, was die Wirkung seiner Botschaft nicht schmälerte, im Gegenteil.
Khan ist Muslim und amerikanischer Staatsbürger, der vor rund 40 Jahren aus Pakistan in die USA einwanderte. 2004 verlor er seinen Sohn Humayun, der für die US-Armee im Irak kämpfte. "Sie haben nichts und niemand für Ihr Land geopfert, Herr Trump", sagte Khan, der im Anschluss dem Kandidaten der Republikaner noch die Frage stellte, ob er jemals in seinem Leben die Landesverfassung gelesen habe. "Falls nicht, leihe ich ihnen gerne meine Ausgabe. Schlagen Sie darin die Begriffe Freiheit und gleicher Schutz vor dem Gesetz nach." Um die zu verstehen, braucht es tatsächlich nicht einmal Juristen.
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