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Corporate Universities: privat geführte | Branchenbezogene Wissensvermittlung. | Wien. Droht unseren Universitäten der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit? Wie sollte die Bildungslandschaft der Zukunft aussehen? Im Gegensatz zu früher, als theoretisches und philosophisches Wissen im Vordergrund standen, ist heutzutage transdisziplinäres, also fächerübergreifendes Lernen wichtig. Die Veränderung unseres Umfeldes und die Globalisierung bringen neue Herausforderungen, die nur von vielseitig Ausgebildeten gelöst werden können.
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Der Schweizer Philosophie-Professor Walther Zimmerli zeigte neulich auf Einladung der Plattform "zukunftsforum" bei einem Vortrag in Wien Wege aus dem Bildungsnotstand auf. Besonders wichtig, sagte er, sei das lebenslange Lernen. Dauerte bis vor kurzem die Ausbildungsphase bis zum 25. Lebensjahr mit anschließender Umsetzungsphase bis zur Pensionierung, so müssen heute selbst erfahrene Spitzenmanager regelmäßig die Schulbank drücken.
Zimmerli kritisiert die derzeitigen Prüfungsverfahren: "Heute darf man bei Tests weder Bücher noch andere Hilfsmittel verwenden." Diese "Autistenprüfungen" spiegelten keineswegs die späteren Herausforderungen der Arbeitswelt wider. "Man tut, als wäre man allein auf der Welt", klagt Zimmerli. Er schlägt daher vor, reale, "heiße" Fälle in Teamarbeit zu behandeln. Und da jede Hochschule ein anderes Spezialgebiet hat, ist für Zimmerli "Blended Learning" - Lernen via moderne Medien - das Schlagwort der Zukunft. "Wir haben die Ressourcen dazu. Die meisten Studenten verfügen heute über Internet. Warum nützen wir es nicht?"
Außerdem spricht er sich für die Errichtung so genannter Corporate Universities aus, also von Hochschulen, die von Unternehmen geführt werden. Deren Vorteil liege darin, dass sie unternehmensadäquates und branchenbezogenes Wissen vermitteln. Weil öffentliche Bildungseinrichtungen ihre Studenten für keine speziellen Jobs ausbilden, sind deren Studienangebote naturgemäß möglichst allgemein gehalten. Natürlich sollen die Corporate Universities aber keine Konkurrenz zu bestehenden Bildungssystemen sein, denn "jeder muss eine solide Grundausbildung haben", so Zimmerli, der übrigens Präsident der VW-eigenen AutoUni in Wolfsburg ist. Die privaten und öffentlichen Einrichtungen können vielmehr einander unterstützen.
Profitabel, praxisnah
Durch die Vergabe von Forschungsstipendien oder -aufträgen profitieren einerseits die Betriebe von der umfassenden Infrastruktur der öffentlichen Hochschulen, während andererseits die Studenten praxisnahe, marktrelevante Projekte betreuen. "Außerdem siedeln sich neue Firmen rund um die Corporate Universities an, die die Forschungsergebnisse der Uni und den Absolventenpool anzapfen wollen", betont Zimmerli. Das bringt neue Arbeitsplätze, erhöht die Lebensqualität in der gesamten Region und stärkt den Wirtschaftsstandort. Diese Meinung teilen offenbar immer mehr Unternehmen. Der Trend ist erstaunlich: Weltweit - mit dem Zentrum in den USA - gibt es heute über 1600 Corporate Universities; vier von zehn der weltgrößten Unternehmen unterhalten eine eigene Hochschule. Ein Indiz, dass die Corporate University mehr als bloß eine Modeerscheinung ist.