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"Unternehmer zu sein, ist mit dem Spitzensport vergleichbar"

Von Stefan Janny

Reflexionen
Zimmermann: Ein alter Löwe "weiß, er könnte auch verlieren".Foto: Robert Newald

Rückzug in den Aufsichtsrat war langfristig geplant. | Bedeutung der Wirtschaftspolitik "für uns eher untergeordnet". | "Wiener Zeitung": Wie beurteilen Sie als Unternehmer die Wirtschaftspolitik der Regierung?


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Norbert Zimmermann: Gibt es denn eine Wirtschaftpolitik der Regierung? Die großen Rahmenbedingungen, die uns als international orientiertes Industrieunternehmen interessieren, werden doch längst von der EU gestaltet. Und auf lokaler Ebene spielen, wenn es etwa um den Bau von Betriebsanlagen oder Genehmigungsverfahren geht, die Bezirkshauptmannschaften eine wichtige Rolle. Die Wirtschaftspolitik, die vom Wirtschaftsministerium kommt, hat für uns eine eher untergeordnete Bedeutung.

Eine dieser Rahmenbedingungen, die nicht der Gestion der österreichischen Bundesregierung unterliegt, ist der Euro-Dollar-Wechselkurs. Wie lebt es sich mit einem so starken Euro?

In der Berndorf AG hat der Dollar-Kurs keine überragende Bedeutung. Bei Schoeller-Bleckmann hingegen hat der Dollar eine starke Bedeutung. Dort kompensiert der hohe Ölpreis weitgehend den Nachteil des schwachen Dollars.

Eine andere Entwicklung, die derzeit vielen Firmen zu schaffen macht, sind die stark gestiegenen Rohstoffpreise.

Das ist wieder ein Punkt, wo die Bundesregierung null Muskel hat, denn die Rohstoffpreise werden von den internationalen Märkten diktiert, insbesondere werden sie natürlich von der Nachfrage der großen aufstrebenden Schwellenländer wie China und Indien beeinflusst. Bei uns ist das konkret der Stahl, aber es sind auch die Energiepreise. Was kann ein österreichischer Minister, der für Wirtschaftspolitik verantwortlich ist, tun, um den Stahlpreis, den Ölpreis oder den Strompreis zu beeinflussen? Gar nichts.

Die EU-Kommission ist allerdings bemüht, durch Liberalisierung mehr Wettbewerb beispielsweise am Strommarkt zu erzeugen.

In Wahrheit existiert in ganz Europa kein funktionierender Strommarkt. Das ganze Geschäft liegt in der Hand weniger Unternehmen, die in jeder anderen Branche riesige Kartellstrafen zahlen würden. Im Energiebereich ist das aber witzigerweise scheinbar egal. Wenn Österreich eigene Energiepolitik machen will, muss man die künftige Stromversorgung sichern, muss man über den Bau von Kraftwerken reden und vielleicht auch das Thema Atomstrom enttabuisieren. In Österreich ist ja sogar das Nachdenken über dieses Thema verboten, darüber zu reden schon überhaupt. Ich halte es aber für nicht vernünftig, eine bestimmte Technologie für immer auszuklammern.

Sie sind einerseits Hauptaktionär der Berndorf AG, einem großen privaten Industrieunternehmen, und halten andererseits maßgebliche Anteile an der börsenotierten Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment. Wie vergleichen Sie die Erfahrungen?

Das ideale Unternehmen vereint die Werte beider Welten. Wir haben uns einerseits auf unsere Fahnen geschrieben, dass die Berndorf-Gruppe die Tugenden eines Familienunternehmen leben soll: Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit, langfristige Orientierung, Loyalität gegenüber Kunden und im Umgang mit den Mitarbeitern. Aber gleichzeitig wollen wir uns verhalten wie ein kapitalmarktorientiertes Unternehmen. Das heißt, dass wir die besten Manager wollen, was nicht notwendigerweise Familienmitglieder der Eigentümer sind. Wir beteiligen Mitarbeiter und Manager an der Substanz. Und wir haben eine Berichtskultur mit Transparenz wie bei einem börsenotierten Unternehmen.

Aber gerade diese Verpflichtung börsenotierter Unternehmen, Quartalsberichte zu veröffentlichen, wird doch vielfach auch kritisiert.

Negativ ist es nur dann, wenn ich Handlungen nicht aufgrund der mittelfristigen betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit, sondern im Hinblick auf den nächsten Quartalsbericht setze. Aber vernünftige Quartalsberichte zu haben, welche die Entwicklung eines Unternehmens und seiner Teilbereiche widerspiegeln, das ist positiv.

Sie haben vor kurzem Ihre Funktion als Vorstandschef der Berndorf AG niedergelegt und sind als Präsident in den Aufsichtsrat gewechselt. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, die Zügel loszulassen?

Das ist ein sehr spannender Veränderungsprozess, der in einem selber vorgeht. Ich habe das im kleinen Kreis - insbesondere mit Peter Pichler, der für mich als mein Nachfolger feststand - schon vor fünf Jahren zu besprechen begonnen und mich seither kontinuierlich und intensiv mit dem Thema beschäftigt. Ich habe auch immer in mich hineingehört, wie es mir dabei geht. Vor etwa zwei Jahren haben wir dann begonnen, immer mehr Leute darüber zu informieren.

Das war der Point of no Return?

Entweder das oder der Verlust der Glaubwürdigkeit. Vor einem Jahr ist dann bei mir totale Entspanntheit eingetreten. Ich habe genau gewusst, wie der Vorstand in Zukunft aussehen wird und wie die Unternehmensgruppe aufgestellt sein wird. Ich habe in den letzten Jahren noch eine große Akquisition sehr aktiv mitgestaltet. Als das gelungen war und ich gesehen habe, wie das Team das umgesetzt hat, da war ich sicher, dass der Übergang gut funktioniert.

Was war die Motivation, dieses Thema vor fünf Jahren in Angriff zu nehmen?

Ich habe mir vorgenommen, das Leben in Abschnitten zu sehen und da muss es auch einen Abschnitt geben, in dem man das Loslassen lernt und akzeptiert, dass etwas zu Ende geht. Beseelt von dem Gedanken, es anders zu machen als viele, die den richtigen Zeitpunkt sich zurückzuziehen verpasst haben, habe ich mir vorgenommen, es zeitgerecht zu tun. Und das Jahr 2008 ist auch ein symbolisches Datum, weil wir Berndorf vor 20 Jahren übernommen haben.

Sie sind aber erst 61 Jahre alt.

Natürlich könnte ich sagen, ich kann noch fünf Jahre weitermachen, aber irgendwann muss man gehen. Und ich bin mir sicher, man soll sich aus dem aktiven Management zurückziehen, bevor man 70 ist.

Die Gestaltungsmöglichkeit an der Spitze eines großen Unternehmens nun nicht mehr selbst zu haben, schmerzt Sie gar nicht?

Unternehmer zu sein, ist tatsächlich eine irrsinnig spannende Aufgabe. Das hat auch viel mit Adrenalin zu tun und ist vergleichbar mit dem Spitzensport. Für Sportler läuft der Prozess des Alterns bloß schneller und früher ab. Aber auch als Unternehmer oder Manager muss man sich damit abfinden, dass man nicht ein Leben lang Spitzensportler sein kann. Jeder wird älter, es gibt Energieverluste, manche Dinge werden mühsamer, und vieles ist auch nicht mehr so spannend.

Wurde Ihnen schon langweilig als Berndorf-Chef?

Das nicht, aber wenn Sie die Streif 30 Mal hinuntergefahren sind, ist das 31. Mal nicht mehr so spannend wie das erste Mal. Niki Lauda hat an einem bestimmten Punkt in seiner Rennfahrerkarriere gesagt, dass ihn dieses ewige Im-Kreis-Fahren nicht mehr freut. Mit dem Adrenalinstoß eines Unternehmers ist es ähnlich: Wenn sie viele interessante Projekte gemacht haben, wenn sie sich aus Fehlern selbst wieder herausgewurschtelt haben, wenn sie einen Börsegang gemacht haben, wenn sie das ganze Unternehmen umgebaut und das Portfolio mehrfach verändert haben - dann ist danach vieles Déjà-vu. Was hätte ich noch machen können? Ich könnte höchstens versucht sein, eine Firma zu kaufen, die das Dreifache unseres Eigengewichtes hat. Eine so riesige Akquisition wäre vielleicht noch spannend - aber auch sehr riskant.

Der Management-Buy-out bei Berndorf vor 20 Jahren war aber auch riskant?

Er war hochriskant, aber er war kalkulierbar. Natürlich gab es auch das Szenario, dass ich scheitere. Aber im Alter von 40 Jahren kann man das machen.

Sind Sie im Laufe der Jahre vorsichtiger geworden?

Man wird mit fortschreitendem Alter risikobewusster. Auch deshalb ist es meiner Meinung nach richtig, sich rechtzeitig aus dem operativen Geschäft zurück zu ziehen, weil man zunehmend nur noch die Risiken sieht. Das ist wie bei einem alten Löwen, der herumschleicht und merkt, er ist nicht mehr so schnell, und der auch schon viel gebissen und belästigt worden ist. Er weiß, er könnte vielleicht auch verlieren.

Was werden Sie mit der nun zur Verfügung stehenden Freizeit anfangen?

Meine Frau wird einen Teil davon bekommen. Ich habe zwei Enkel, die bekommen einen Opa-Tag. Außerdem bin ich leidenschaftlicher Saxofonist. Ich habe einen Stapel noch nicht gelesener Bücher. Und ich habe vor, einmal im Jahr alle 30 Standorte der Unternehmensgruppe zu besuchen.

Norbert Zimmermann, Hauptaktionär der Berndorf AG, 1947 in Bludenz geboren, besuchte in Bregenz die Handelsakademie und studierte in Wien an der Wirtschaftsuniversität. Nach dem Studium arbeitete er vorerst für IBM, wechselte 1974 als Controller zu Spar und 1978 als Geschäftsführer zum Textilunternehmen Böhm.

1986 übernahm er als Sanierer die Geschäftsführung der damaligen Berndorf Metallwaren GmbH, einer Tochter der verstaatlichten Austria Metall AG (Amag). 1988 kaufte er Berndorf über einen Management-Buy-out von der Amag, strukturierte das Unternehmen mehrfach um und expandierte kontinuierlich. Mit annähernd 2700 Mitarbeitern wurde zuletzt ein Umsatz von 233 Millionen Euro erwirtschaftet. Die 1995 übernommene Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment wurde 1997 an die Börse gebracht. Das Unternehmen, an dem Zimmermann immer noch ein maßgebliches Aktienpaket hält, erzielte 2007 mit 1200 Mitarbeitern 317 Millionen Euro Umsatz.

Erst vor wenigen Wochen wechselte Zimmermann vom Vorstand der Berndorf AG an die Spitze des Aufsichtsrats.