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Unterstützung in schweren Zeiten

Von Brigitte Pilz

Politik

Im Juni dieses Jahres jährt sich zum 25. Mal die Niederschlagung des Schüleraufstandes von Soweto. 700 Todesopfer gab es damals zu beklagen. Es war in der Geschichte des Apartheid-Regimes wohl das brutalste Ereignis und nicht zuletzt Anlass für ein Aufblühen der internationalen Solidaritätsbewegung zur Abschaffung der Apartheid.


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Es gibt nur wenige Solidaritätsbewegungen, die sich auflösen, weil das Ziel ihrer Aktivitäten erreicht ist. Eine davon war die Anti-Apartheid-Bewegung (AAB). Als der damalige südafrikanische Präsident Frederik Willem de Klerk am 2. Februar 1990 seine Bereitschaft zu ernsthaften Verhandlungen mit dem schwarzen Widerstand und die Freilassung Nelson Mandelas ankündigte, war dies der Anfang vom Ende der staatlich legitimierten und institutionalisierten Apartheid. Zahlreiche Gespräche zwischen dem Hauptträger des Widerstandes, dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC, African National Congress), und Regierungsvertretern bereiteten den Übergang zu demokratischen Verhältnissen in Südafrika vor.

Nach ersten freien Wahlen im April 1994 wurde der ehemalige Gefangene Nummer Eins, Nelson Mandela, erster schwarzer Präsident des Landes.Zweifellos kommt das Hauptverdienst für die Befreiung von der Last des rassistischen politischen Systems dem Kampf der betroffenen Bevölkerung selbst zu, der vielen engagierten Exilanten und Exilantinnen. Eine nicht zu unterschätzende Unterstützung erhielten sie aber von der AAB. Ihre Aktivitäten trugen wesentlich zur Abwendung der internationalen Gemeinschaft vom Apartheid-Regime bei, wie zuvor nicht zuletzt die lukrativen wirtschaftlichen Kontakte mit Europa, Amerika und Japan dasselbe Regime an der Macht gehalten hatten. Und immer wieder haben besonders brutale Ereignisse in Südafrika der Solidaritätsbewegung Auftrieb gegeben.

Wiege der Anti-Apartheid-Bewegung war England. Bereits seit dem 19. Jahrhundert war dort die Anti-Slavery-Society aktiv. Sie beobachtete mit zunehmenden Unbehagen die Ereignisse in Südafrika. War dort die Unterdrückung bereits seit Jahrhunderten für die nichtweiße Bevölkerung Alltag, so trat nach den Wahlen von 1948 - natürlich eine rein weiße Veranstaltung - eine grundlegende Verschärfung ein. Schritt für Schritt wurde der Apartheid-Staat eingerichtet und umgesetzt, mit einer Unzahl an Gesetzen, die die schwarze Bevölkerung in ihrem eigenen Land vollkommen entrechteten.

Im März 1960 kam es im Township Sharpeville südlich von Johannesburg zu Demonstrationen gegen die diskriminierenden Passgesetze, während der 69 Teilnehmer von der Polizei erschossen wurden. Bilder von Getöteten und Verwundeten gingen um die Welt. Pretoria verhängte den Ausnahmezustand. Der ANC, der davon abgespaltene militante Panafrikanische Kongress (PAC, Pan African Congress) und weitere Organisationen wurden verboten, Mandela und andere Aktivisten inhaftiert. "Sharpeville" geriet weltweit zum Synonym für die "Fratze der Apartheid". In England wurde umgehend die AAB gegründet. Auch in anderen europäischen Ländern, in den USA, Kanada und Indien wurden Solidaritätsgruppen gebildet.

Solidarität in Österreich

In Österreich war "Soweto" der Auslöser für die Gründung der AAB. 1976 hatte das südafrikanische Regime die Entscheidung getroffen, dass künftig Afrikaans Unterrichtssprache an Gymnasien für Schwarze sein sollte. Aus deren Sicht war diese Sprache seit langem Symbol der Unterdrückung. In den Townships brach ein Sturm der Entrüstung los. Vor allem Soweto ( South Western Townships), die riesige Vorstadt von Johannesburg, bildete den Schauplatz blutiger Zusammenstöße zwischen Schülern und weißen Sicherheitskräften, die auch auf flüchtende Kinder feuerten.

Während sich in Südafrika Unterdrückung und Widerstand verschärften, arbeitete die weltweit in einem gut funktionierenden Netzwerk verbundene AAB an der Isolierung des weißen Regimes. Neben der finanziellen und moralischen Unterstützung des Widerstandes in Südafrika, gestalteten sich die Maßnahmen und Aktionen je nach wirtschaftlicher und politischer Verquickung des eigenen Landes.

"In Österreich legten wir Wert auf intensive Lobbyarbeit", sagt Walter Sauer, einer der profiliertesten Aktivisten. Und Elfriede Pekny, seit Beginn der AAB Mitstreiterin, betont: "Uns war es wichtig, sehr fundiert zu arbeiten." Es gab eine Reihe plakativer und öffentlichkeitswirksamer Aktionen, zum Beispiel jene Demonstration zum Besuch von Mangosuthu Buthelezi, Chef des Homelands KwaZulu, in Alpbach im August 1988 - wohl die einzige Demo, die Alpbach je gesehen hat; oder bereits 1985 die große Kundgebung für die Einführung von Sanktionen auch in Österreich. Zeitaufwendiger war die Knochenarbeit. Intensive Gespräche mit Beamten, das Durchforsten von Gesetzestexten, von Außenhandelsstatistiken usw. Sie führte zum Beschluss des Sanktionenpakets in Österreich und zur Implementierung des Kriegsmaterialiengesetzes gemäß den Sanktionsbeschlüssen der UNO.

Eine Schulbuchanalyse mündete in Erlässen des Unterrichtsministeriums gegen rassistische Äußerungen im Unterricht. Das Buch "Die Apartheid-Connection" (Hg. Walter Sauer/Theresia Zeschin, Verlag für Gesellschaftskritik 1984, vergriffen) schilderte minutiös die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen unseres Landes mit dem Apartheid-Staat.

Öffentlichkeitswirksam war auch die Aktion "Früchteboykott" der Evangelischen Frauen. Zahllose Einzelpersonen kauften keine Outspan-Orangen, Cape-Äpfel oder Del- Monte-Pfirsichkompott-Dosen aus Südafrika, 30 Gemeinden erklärten sich zu "apartheidfreien Zonen". Während all der Jahre engagierte sich die AAB überparteilich und überkonfessionell. Es gab eine breite Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft, den Kirchen, mit Pfarren und Gemeinden, mit Vertreterinnen und Vertretern aller politischen Parteien.

"Die Mühen der Ebene"

Schließlich sah sich das weiße Regime in Südafrika - durch Widerstand und Gegenwehr im Land, durch wirtschaftliche Probleme, nicht zuletzt wegen der Wirksamkeit der internationalen Sanktionen, so geschwächt, dass es keinen anderen Weg als die Zusammenarbeit mit der schwarzen Bevölkerung mehr sah.

Mit freien Wahlen und Nelson Mandela als Präsident war das Ziel der nichtweißen Bevölkerung und der AAB erreicht. Oder besser: Eine Etappe auf dem Weg zur Befreiung war erreicht. Die Apartheid hat viele Wunden hinterlassen. "Die Mühen der Ebenen sind beträchtlich. Das Land braucht weiterhin unsere Solidarität", sagt Elfriede Pekny.

Deshalb wurde zwar die AAB Österreich aufgelöst. In der Folge wurde das SADOCC (Southern African Documentation and Cooperation Centre) gegründet. Nach einem Motivationstief ist das Interesse am südlichen Afrika wieder im Steigen, besonders bei jungen Menschen. "Wir wollen ja nach wie vor einen Beitrag zum Aufbau eines solidarischen Österreich leisten", betont Walter Sauer. Eine Fachbibliothek, die Zeitschrift INDABA und andere Publikationen, aber auch Veranstaltungen sollen die Beschäftigung mit dem südlichen Afrika ermöglichen und anregen. Ein viel beachtetes Ereignis war eine Tagung zwischen Parlamentariern und NGO-Vertretern aus dem südlichen Afrika und Europa im Parlament in Wien im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs.

"Über weite Strecken war die Solidarität mit Südafrika eine anstrengende und manchmal auch gefährliche Angelegenheit", bemerkt Walter Sauer. "Jetzt macht sie viel mehr Spaß. Wir beschäftigen uns natürlich auch mit Problemen. Doch jetzt können wir uns daneben der Kultur, traditioneller Medizin und anderen interessanten Themen widmen."