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Unterwegs auf dem "Weg der Mitte"

Von Stefan Beig

Politik

Muslimbrüder auch in Österreich auf Besuch. | "Der ägyptische Staat wäre ohne Muslimbrüder zusammengebrochen." | Wien. Seit den Umwälzungen in Ägypten sind die Muslimbrüder als wichtige Oppositionsbewegung in aller Munde. "Muslimbrüder gibt es auch in Europa und Österreich", meint Elsayed Elshahed, Direktor des "Instituts für Interkulturelle Islamforschung" in Wien. Über ihre Mitgliedschaft müssten aber die Muslimbrüder selber reden.


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Elshahed ist gebürtiger Ägypter und verfolgt die Ereignisse aufmerksam. Was hält er von den Warnungen arabischer Herrscher vor der Bewegung? "Die Muslimbrüder sind wie alle politischen Bewegungen sicher keine Engel; es gibt einen extremen Flügel, die Mehrheit sind komplett friedliche Mitglieder. Ihre Verteufelung dient der Legitimation eines korrupten Systems."

Offizielle Organisationen der Muslimbrüder gibt es in Österreich nicht. Spricht man heimische Muslime auf die Gruppierung an, werden meist die beiden Vereine Liga Kultur in Wien und in Graz genannt, die 1999 gegründet wurden. "Die Behauptung, zu den Muslimbrüdern zu gehören, betrachten wir nicht als Vorwurf", meint dazu Aiman Morad, ehemaliges Vorstandsmitglied der Wiener Liga Kultur. "Die Muslimbrüder sind weltweit eine Bewegung. Ihr Gedankengut wird von der Mehrheit der Muslime getragen. Wir sind keine Ausnahme. Organisatorisch haben wir mit den Muslimbrüdern nichts zu tun. Es gibt keine Organisation der Muslimbrüder in Europa."

Ebenso erklärt Kamel Mahmoud von der Liga Kultur in Graz: "Wir unterstützen nur das Gedankengut der Muslimbrüder. Wir nennen es den Weg der Mitte." Was das bedeutet, erläutert Morad: "Wir sind der moderateste Teil innerhalb der religiösen Muslime." Man sei zwischen den Extremen: auf der einen Seite extremistische, dschihadistische Richtungen, auf der anderen die areligösen Muslime. Die Vereine Liga Kultur seien religiös-soziale Einrichtungen. "Wir arbeiten eng zusammen."

Aiman Morad ist gebürtiger Syrer und floh 1981 nach Österreich. Damals wurden die Muslimbrüder vom syrischen Regime brutal verfolgt. "Ich war 18 Jahre alt und widerspenstig. Die konnten mich dort nicht mehr dulden", berichtet er. An Rückkehr ist seither nicht mehr zu denken. "Der syrische Geheimdienst hat ein langes Gedächtnis."

Schon bald war Morad in der heimischen Islamszene aktiv, Anfang der 80er Jahre etwa in der Moschee in der Wiener Lindengasse, die er aber bald verließ. "Die Moschee geriet damals in falsche Hände", erzählt Morad. Später wirkte in der Lindengasse der Vater von Mohammed M., der 2008 wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung zu vier Jahren Haft verurteilt worden ist.

Mit Beginn der 90er Jahre wurde Morad in der Hidaya-Moschee in Wien-Leopoldstadt tätig. Ihre Leitung hängt heute direkt mit der Liga Kultur zusammen. Manche Veranstaltungen der Liga Kultur, wie das Studium des Korans am Samstag, finden in der Hidaya-Moschee statt. Bis vor zehn Jahren wirkte in der Moschee der prominente Imam Adnan Ibrahim. Der aus Palästina stammende Vorbeter hat eine breite Anhängerschaft, bei der er als moderat und vielseitig belesen gilt. In der Öffentlichkeit litt sein Ruf merklich, als Ende 2006 Predigten von ihm bekannt wurden, in denen er die "Märtyrer" in Palästina und dem Irak verherrlichte. Später bezeichnete er Israel als "Bestie".

In den 90er Jahren war Ibrahim noch medial unbekannt. Die Hidaya-Moschee soll er aber laut damaligen Besuchern im Streit verlassen haben. "Ich habe prinzipiell keine Probleme mit Adnan Ibrahim", betont Aiman Morad. "Lange Zeit war unser Verhältnis sehr freundlich. Nur hat er in seinen Predigten das entzweiende Thema von Sunniten und Schiiten sehr oft angesprochen. Das führte schließlich zu Differenzen."

Wirbel um Menshawi in Graz

Ein späterer Imam der Hidaya-Moschee war bekannt dafür, die Schiiten scharf zu kritisieren. Auch er ist mittlerweile weg. "Ein Imam hat eine große Verantwortung, und die wollen viele Muslime nicht übernehmen. Das ist das Problem", erläutert Morad.

Die Mitglieder der Grazer Liga Kultur besuchten in den 90er Jahren zunächst das Islamische Zentrum, das sie aber 1997 verließen, angeblich weil die Beziehung zum Vereinvorstand nicht reibungslos war. Dazu Kamel Mahmoud: "Das Zentrum besteht aus zwei Räumen mitten in einem Wohnhaus. Dort kann man keine Sozialaktivitäten machen. Davon konnten wir die Leitung nicht überzeugen."

Kontakt pflegte Mahmoud damals zu Gamal Menshawi, der später, 2002, von der CIA auf der Pilgerreise nach Mekka entführt worden ist. Menshawi wird der radikalen Organisation Gama’a al-Islamiya zugerechnet. Kamel Mahmoud und andere spätere Mitglieder der Liga Kultur besuchten 1997 die Moschee "Subul Al-Islam", in der Menshawi wirkte. Im Jahr 2000 trat Mahmoud gemeinsam mit Menshawi bei der Wahl der Religionsgemeinde Graz mit einer Liste an. Präsident Anas Schakfeh war damals über Men shawis Teilnahme bei den Wahlen nicht glücklich. "Menshawis Vorgangsweise hat uns nicht gefallen", erzählt heute Mahmoud. "Aber ich habe kurze Zeit gedacht, wir könnten in allgemeinen Angelegenheiten der Muslime mit ihm zusammenarbeiten. Das hat leider nicht funktioniert."

Beide Liga Kulturen wurden mittlerweile von bekannten Muslimbrüdern besucht, etwa Mohammad Alkatatny, der im ägyptischen Parlament Klubobmann der Muslimbrüder war. "Das ist kein Geheimnis", betont Mahmoud. "Ich habe seit meiner Studienzeit in Ägypten gute Beziehungen zu vielen Persönlichkeiten dort, auch zu Muslimbrüdern."

Die Unruhen in Ägypten bewegen viele Muslime. "Die Muslimbrüder tun in Ägypten das, was der Staat versäumt hat", meint Morad. "Sie bieten den Menschen Gesundheits-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen an. Der ägyptische Staat musste die Muslimbrüder dulden, weil er ansonsten zusammengebrochen wäre."