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Untreue im Olymp der Forschung?

Von Eva Stanzl

Wissen
Max-Planck-Gesellschaft, Generalverwaltung in München: Das System prüft sich selbst.
© MPG

In der Max-Planck-Gesellschaft wurden womöglich Forschungsgelder in Millionenhöhe veruntreut.


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München/Dresden/Wien. 17 Nobelpreisträger und Grundlagenforschung auf internationalem Spitzenniveau: Dafür ist die 1948 gegründete Max-Planck- Gesellschaft (MPG) bekannt. Tausende Forscher arbeiten in über 60 Instituten an unterschiedlichen Projekten und Erfindungen. Das Jahresbudget liegt bei zwei Milliarden Euro und es kommt zu 80 Prozent aus Steuergeldern.

Deutsche Medien berichten nun von einem verantwortungslosen Umgang mit diesen Steuergeldern. In der Max-Planck-Gesellschaft, dem Olymp der deutschen Wissenschaft, seien womöglich Forschungsgelder in Millionenhöhe veruntreut worden, war im ARD-Politikmagazin "Report Mainz" am Mittwochabend unter Berufung auf interne Unterlagen zu erfahren. Laut Recherchen von ARD und "Spiegel" hat der Sächsische Rechnungshof festgestellt, dass am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden Einweihungspartys gefeiert, Bands bestellt und Alkohol geordert worden sei - ausgewiesen als dienstliche Bewirtungen. Das Institut habe daraufhin 200.000 Euro zurückzahlen müssen.

Weiters hätten Recherchen im Grundbuchamt Göttingen ergeben, dass die MPG einem ehemaligen Präsidenten, Peter Gruss, ein Grundstück übertragen und dabei Steuern und Gebühren von 200.000 Euro übernommen habe. Die Übertragung sei im kleinsten Kreis beschlossen worden. Laut dem Oberste Bayerischen Rechnungshof hätte der Steuerzahler informiert werden müssen.

Außerdem soll Gruss für seine Ehefrau einen Posten als Referentin geschaffen und seinen Sohn als Leiter einer Stiftung untergebracht haben. Die Ehefrau eines weiteren Direktors sei zu dessen Ko-Direktorin ernannt worden. Die Max-Planck-Gesellschaft beruft sich in einer Stellungnahme auf das "Dual Career"-System, wonach Partner von Wissenschaftern, die ebenfalls Wissenschafter sind, nach Möglichkeit ihren Job vor Ort ausüben können sollen. Die Beschäftigung von Ehepartnern oder Familienangehörigen beim gleichen Arbeitgeber oder in der gleichen Dienststelle sei nicht untersagt.

Schon im Juni war bekannt geworden, dass Mitarbeiter eigene Firmen betreiben, woraus sich Interessenskonflikte mit den Leitlinien der Gesellschaft ergäben. So hätte das Halbleiterlabor der MPG in München eine Firma namens PN Sensor mit der Herstellung von Siliziumchips beauftragt, dessen Mehrheitseigentümerin die Ehefrau des Laborleiters sei. Den Produktionsüberschuss durfte die Firma, die 2009 einen Gewinn von 3,4 Millionen Euro machte, auf dem Markt verkaufen.

Die Max-Planck-Gesellschaft kritisiert "Fehler" in der Berichterstattung und hat eine einstweilige Verfügung beim Landgericht München gegen "bestimmte Behauptungen von Report Mainz" erwirkt. Sie verweist auf Grauzonen der Praxis: So unterhalte man Wohnungen, um diese Mitarbeitern zu ortsüblichen Mieten zur Verfügung zu stellen. Dies erleichtere es, insbesondere Forscher aus dem Ausland anzuwerben, für die die Übersiedlung ansonsten eine Hürde darstellen würde. Weiters trage die Gesellschaft Sorge, dass Rechtsgeschäfte und Anstellungsverhältnisse zwischen Angehörigen vermieden werden. Personen würden nach Qualifikation beschäftigt. Im "Fall des Sohnes von Herrn Gruss wurde das Beschäftigungsverhältnis durch die Gremien der MPG, hier Verwaltungsrat und Senat, geprüft".

Daniela de Ridder, im deutschen Parlament für die Kontrolle der MPG zuständig, sieht "mannigfaltige Strukturprobleme: Wir brauchen Qualitätsstandards für gutes wissenschaftliches Verhalten gesetzlich festgeschrieben, damit es klare Spielregeln gibt, mit denen operiert wird", forderte sie im "Mainz Report". In Österreich gibt es mehrere, aber keine alleinige Regelung. Das Forschungsförderungsgesetz schreibt einen sorgsamen, sparsamen und zweckmäßigen Umgang mit Fördergeldern vor, hat aber keinen eigenen Paragrafen zu Qualitätsstandards. Amtsträger, also Mitarbeiter aller Einrichtungen, die vom Rechnungshof geprüft werden können, unterliegen dem Anti-Korruptionsgesetz. Unis verpflichten sich in den Leistungsvereinbarungen dem Wissenschaftsministerium. Förderstellen prüfen selbst: "Wir machen Stich-Kontrollen zum Umgang mit unseren Geldern, aber es wäre unzweckmäßig, jeden Beleg einzufordern", sagt Michael Stampfer, Chef des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technnologiefonds WWTF.

Er räumt ein: "Natürlich gibt es Repräsentationsaufwand. Doch wo ist die Grenze? Der Nutzen, den - mittlerweile allabendliche - Diskussionsveranstaltungen im Bereich Forschung für die Allgemeinheit haben, erscheint überschaubar."