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Es war wohl das weltweite Entsetzen über die Gräuel des Zweiten Weltkriegs, die 1948 die UNO-Staaten zur Annahme der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" brachte. Ob der Text heute noch so durchzubringen wäre, ist mehr als fraglich. Denn diese Deklaration beschreibt Rechte, die im 21. Jahrhundert durchaus in Frage gestellt werden.
Im Artikel 22 heißt es, "jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf,... in den Genuß der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind."
Wenigstens in Europa leben wir nicht mehr in Zeiten der Not, Armut und Zerstörung, doch gehört dieses Menschenrecht wirklich noch zum Grundkonsens der Gesellschaft?
Der Artikel 23 beschreibt sogar das Recht auf Arbeit, den Schutz vor Arbeitslosigkeit und gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Nun ist schon klar, dass dies in einer globalisierten, arbeitsteiligen Welt, die so 1948 wohl unvorstellbar war, eine neue Bedeutung erlangt.
Und doch wäre es angesichts der Hass-Postings, Anschläge gegen Asylheime, selbst der Mindestsicherungsdebatte angezeigt, innezuhalten.
Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" einmal durchzulesen und sich zu überlegen, was ihre Verfasser und die damals vereinteren Nationen damit ausdrücken wollten, ist gut.
Es geht dabei um Menschenwürde, um Frieden, auch sozialen Frieden, um die freie Entwicklung freier Menschen.
Nun kann dies im 21. Jahrhundert als Sozialromantik abgetan werden, die mit einer Falschmeldung auf Facebook als naiv, sogar schädlich gebrandmarkt wird.
Und doch ist diese Erklärung alles, was wir als Menschheit haben. Sie hat seinerzeit die Kalten Krieger am Höhepunkt desselben abgehalten, auf den Atomknopf zu drücken. Sie steht am Beginn des Sozialstaates, wie wir ihn in Europa seither kennen. Sie steht hinter der Erkenntnis, Staat und Religion zu trennen. Sie steht hinter dem, was wir Zivilisation nennen, und hat Europa die längste Friedensperiode aller Zeiten beschert.
Allein aus diesem Grund zahlt es sich aus, sich die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" auch im Dezember 2016 durchzulesen. Das stärkt das mentale Immunsystem gegen hetzerische Rede, vorschnelle Urteile und sinnlose Wut.