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Die SPÖ will eine Vermögenssteuer nach Schweizer Vorbild. Ein Blick auf die Schweiz, das heimische Steuersystem und die politische Ausgangslage offenbart so viele Hürden, dass die Einführung einem roten Wunder gliche.
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Wien. Warum die Vermögenssteuer auf Immobilien, Barvermögen, Aktien, Sparbücher, Autos oder Gemälde unrealistisch ist, ließe sich mit einem Blick auf die Geburtsstunde der Regierung Faymann II erklären. Die SPÖ wollte eine Vermögenssteuer und Erbschaftsteuer und opferte beides, um die ÖVP ins Boot zu holen.
Die wird nun einen Teufel tun, die Vermögenssteuer, ihren Gottseibeiuns, durchzuwinken. Da stimmt sie noch eher einer Erbschaftsteuer oder einer höheren Grundsteuer zu. Bleiben wir bei den politischen Hürden auf dem Weg zum roten Prestigeprojekt, kommt die Verfassung ins Spiel. Die verbietet derzeit eine zusätzliche Besteuerung von Kapitalerträgen, weil diese bereits durch die Kapitalertragsteuer (KESt) abgedeckt sind. Wer das ändern will, muss die Verfassung ändern. Das heißt, selbst wenn die ÖVP über ihren langen Schatten springt, braucht es die FPÖ oder die Grünen. Die FPÖ scheidet aus, weil sie ihrem Hauptkonkurrenten SPÖ den Triumph sicher nicht gönnt. Also die Grünen: Die sind prinzipiell für die Vermögenssteuer, auch wenn sie eine Erbschaftsteuer für realistischer erachten. Sie werden aber einen denkbar hohen Preis für ihr Ja verlangen. Und den müssen SPÖ und ÖVP erst mal bereit sein, zu zahlen.
Nimmt die rote Vermögensteuer überraschend all diese politischen Hürden, beginnt ein kräftezehrender Dauerlauf durch die Mühen der Ebene - mit noch mehr technischen Hürden. Da wäre zunächst das Bankgeheimnis.
Heilige Kuh Bankgeheimnis wird nicht geschlachtet
Geht es nach der SPÖ, sollen die Steuerpflichtigen dem Fiskus bekanntgeben, wie viel Vermögen sie besitzen. Laut Nationalbank beträgt ihr Nettofinanzvermögen rund 300 Milliarden Euro. Was, wenn sie nur 100 Milliarden angeben? Bankgeheimnis. Schmecks. So konsequent, die heilige Kuh der Österreicher endlich zu schlachten, ist die SPÖ nicht. "Die Schweiz hat ein Bankgeheimnis und Vermögenssteuern. Das wäre auch in Österreich lösbar, nicht zuletzt durch verstärkte Prüfungen", sagt Leo Szemeliker, stv. Büroleiter von Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl.
Wie macht das die Schweiz? Dort legen die Steuerpflichtigen den Vermögensauszug der Bank bei oder - wem das zu intim ist - geben die Vermögen selber an. Den aktuellen Kurs im Fall von Fonds oder Aktien gibt die Steuerverwaltung bekannt. Bei auffälligen Abweichungen zum Vorjahr oder unrealistischen Angaben fragt die Finanz nach ("Sind Sie sicher, dass ...). Der Steuerpflichtige muss die Finanz glaubhaft von der Richtigkeit seiner Angaben überzeugen. Ansonsten wird er von der Finanz eingeschätzt und mit einer Ordnungsbuße belegt. Dagegen kann er dann, wenn er will, klagen.
Beim Verdacht auf Steuerhinterziehung kann die Bank zur Auskunft verpflichtet werden. "Für Schweizer Bürger ist das Bankgeheimnis eingeschränkter als früher", sagt der Experte für Finanz- und Steuerpolitik von der Uni Luzern, Christoph Schaltegger. Ob das strenge inländische Bankgeheimnis in Österreich den Behörden diesen Spielraum ließe?
Sag, wie du wohnst, und ich sage dir nicht, was du zahlst
Noch bedeutender als das Finanzvermögen ist das Immobilienvermögen, damit der Steuereuro durch die Vermögenssteuer sprudelt. Rund 700 Milliarden Euro liegen in den Liegenschaften. Theoretisch. Offiziell sind sie einen Bruchteil wert, geht das nach den offiziellen Einheitswerten. Die wurden seit 1972 nicht mehr angepasst. Die Steuerpflichtigen müssten selbst schätzen, wie viel die Grundstücke und Häuser tatsächlich wert sind. Finanzrechtsexperte Werner Doralt fragt sich, ob nun alle Steuerpflichtigen teure Gutachten erstellen lassen müssen. Und wenn nicht, ob sie mit einem Fuß im Kriminal stehen, sollten sie bei ihrer Selbsteinschätzung zu tief stapeln.
"Man kann davon ausgehen, dass jemand mit einer Immobilie im Wert von mehr als einer Million Euro üblicherweise weiß, was sein Zinshaus wert ist", sagt Szemeliker. Bei Wertgegenständen wie Oldtimern könnten Versicherungsdaten Aufschluss geben. Wie machen’s die Schweizer? Dort heben die Kantone die Vermögenssteuer ein. Diese stellen den Steuerpflichtigen aktualisierte Tabellen über die ortsüblichen Mieten zur Verfügung. Davon ist die österreichische Administration mit ihren Uralt-Einheitswerten noch weit entfernt. Die Einführung eines solchen Bewertungssystems brächte entsprechende Startkosten mit sich. Oder man vertraut den Steuerzahlern und kontrolliert schärfer, wie die SPÖ es vorschlägt - was ebenfalls zusätzliche Finanzbeamte benötigt.
Firmen ausgenommen, Firmeninhaber nicht
Österreichs Betriebsvermögen sollen von der Vermögenssteuer ausgenommen werden. Firmenanteilsinhaber kämen aber sehr wohl zum Handkuss. "Eine Aktie oder ein GmbH-Anteil hat einen bestimmten Wert, der nicht zuletzt vom Gewinn abhängt, dadurch entsteht Wertpapiervermögen. Über einer Million soll es bei der natürlichen Person, die es letztlich als Eigentümer hält, besteuert werden. Es gibt Standardmethoden, Firmenwerte zu eruieren. Bei Aktien kann man für jeden Stichtag im Internet nachsehen, ob sie schon mehr als eine Million wert sind", so Szemeliker. Schaltegger kennt Firmenbesitzer, die reich an Firmenvermögen, aber nicht flüssig genug waren, um Vermögenssteuer zu zahlen. Deswegen verkauften sie Firmenanteile. Für den ÖVP-Wirtschaftsflügel eine Horrorvision, auch wenn es nur einen kleineren Teil der Firmenbesitzer beträfe.
Die SPÖ hat bewusst einen hohen Freibetrag von einer Million eingezogen, damit die Vermögenssteuer zur "Millionärssteuer" wird und sicher nicht den Mittelstand trifft. Deswegen meinen Kritiker der roten Steuer, der Aufwand koste mehr, als sie einbrächte. Oder man macht sie gleich auch zur Mittelstandssteuer wie in der Schweiz (ÖVP-Veto vorprogrammiert). Je nach Kanton gelten niedrige Freibeträge zwischen null und 300.000 Euro.
Wie viel bringt echte Millionärssteuer ein?
Die Schweiz nimmt rund 4,5 Milliarden ein. Schafft die SPÖ-Steuer alle Hürden, hält Schaltegger die von der SPÖ veranschlagten 1,5 Milliarden Euro trotz des hohen Freibetrages für realistisch.
Der Professor stützt außerdem die These der SPÖ, dass Vermögenssteuern den Abstand zwischen Arm und Reich verringern. "In der Schweiz ist die Einkommenskonzentration seit Jahrzehnten stabil und liegt weit unter den angelsächsischen Ländern. Dazu trägt die Vermögenssteuer bei."
Er sieht sie aber trotzdem nicht als Exportschlager. Denn trotz der Vermögenssteuer sei die Steuerbelastung im Vergleich zum Hochsteuerland Österreich insgesamt niedrig. In Österreich sind 45 Prozent an Steuern und Sozialabgaben zu entrichten, in der Schweiz rund 30 Prozent. Selbst wenn seriöserweise die kapitalgedeckten Pensionszahlungen der Schweizer addiert werden, liegen noch immer einige Alpengipfel zwischen den Abgabenquoten.
Dieser Abstand zur Schweiz würde sich durch eine rote Vermögenssteuer gar nicht verringern. Die Wohlhabenden würden mehr Vermögenssteuer und der Rest dafür weniger Lohnsteuer zahlen. Völlig unüberwindlich ist keine der Hürden. Dass die SPÖ alle zusammen schafft, scheint derzeit aber außer Reichweite.
Schafft sie den gesamten politischen und technischen Hürdenlauf doch, wäre es eine Trendumkehr in Europa. Nur noch vier Länder haben eine Vermögenssteuer. Selbst in der Schweiz gibt es sie nur noch deswegen, weil sie die Kapitalgewinnbesteuerung ersetzt und weil die Kantone und Gemeinden die uralte Finanzquelle nie aufgeben würden.