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Unverzichtbar für Österreich

Von Walter Hämmerle

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Dieses Land ist gesegnet mit großen und kleinen Geistern, auf die meisten könnten wir verzichten. Auf eine Handvoll allerdings nicht.


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Angela Merkel wurde nun im "Economist", dem publizistischen Leitstern der liberalen Internationalen, zur "unverzichtbaren Europäerin" geadelt. Allzu vielen Deutschen ist das in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen. Eine gute Gelegenheit, einmal kurz darüber nachzudenken, wer eigentlich der unverzichtbare Österreicher, die unverzichtbare Österreicherin ist. Und was würde eigentlich ganz genau passieren, wenn es ihn (oder eben sie) - aus irgendeiner üblen Laune des Schicksals - plötzlich nicht mehr geben sollte? Irgendwo muss es ihn - oder sie - geben. Dass es eine solche Person nicht geben könnte, ist kaum vorstellbar. Von den üblichen Verdächtigen kommt eigentlich niemand in Frage. Bundespräsident, Kanzler, Minister: In allen diesen Fällen ist schon in der Verfassung festgelegt, wer den Job zu übernehmen hat, wenn denn der eine oder andere plötzlich abhandenkommen würde. Das Gleiche trifft auch - horribile dictu - für die Landeshauptleute zu, obwohl doch genau unter diesen die Versuchung groß ist, sich für unverzichtbar zu halten. Nicht nur politisch, sondern durchaus auch persönlich. Weniger eindeutig liegen die Dinge beim Chef der derzeit größten Oppositionspartei. Sollten dunkle Kräfte in den Reihen der FPÖ-Hinterbänkler auf die Idee verfallen, Heinz-Christian Strache zu stürzen, würde das die Republik in ihren Grundfesten erschüttern. Über Nacht käme einer gefühlten Mehrheit dieses Landes das Feindbild abhanden. Wem sonst wäre es zuzutrauen, so grundverschiedene Parteien wie SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos zusammenzuschweißen. Natürlich nur im Bund. In den Ländern gelten bekanntlich andere physikalische Gesetze der Politik. So gesehen hat Heinz-Christian Strache intakte Chancen für den Titel des "unersetzlichen Österreichers". Zumindest ex negativo betrachtet. Das sollte Maria Vassilakou zu denken geben. Apropos: Wer sich die Mühe macht, ein bisschen über dieses schöne Land nachzudenken, landet früher oder später bei der Erkenntnis, dass das Negative auf eigentümliche Art eine unheimliche Integrationskraft besitzt. Das beginnt bei den Dichtern - Kraus, Bernhard, Jelinek, Winkler, um nur die bissigsten zu nennen - und endet nicht bei den Denkern. Waldorf und Statler, die beiden Alten aus der Muppet-Show, die vom Balkon herab Land und Leuten erklären, was alles schiefläuft, könnten für Österreich erfunden worden sein. Auf sie trifft zu, was Goethe seinem Mephistopheles in den Mund legte: "Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht."

An Geistern, die stets verneinen, besteht in diesem Land tatsächlich kein Mangel. Womöglich besteht in ihnen die unersetzliche Quintessenz dieses Landes. Auf dass alles - oder eben so viel wie möglich - so bleibt, wie es immer schon war. Und "immer" bedeutet in diesem Zusammenhang: seit den Siebzigern des letzten Jahrhunderts, diesem seeligen Jahrzehnt dieser Nation.

Hoffentlich ist Bruno Kreisky noch ein langes Leben beschieden. Seinen Abgang würde das Land wahrscheinlich nicht verkraften, ist der legendäre Sonnenkönig doch mit großer Wahrscheinlichkeit der unverzichtbarste Österreicher. Und gleich dahinter folgen Kaiser Franz-Joseph, Sisi, Mozart und Qualtinger. Ohne sie wäre Österreich nicht denkbar.