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Beim Wort "unverzüglich" haben die Stadt und die Wiener ÖVP unterschiedliche Rechtsauffassungen.
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Die laut Stadtverfassung vorgesehene unverzügliche Befassung der zuständigen Gremien kann nicht heißen, zwei Monate zu warten. Das ist nicht nur eine juristische Frage, sondern auch eine des gesunden Menschenverstands", erklärte Wiens ÖVP-Klubchef Markus Wölbitsch am Mittwoch. Er bezog sich dabei auf die in der Stadtverfassung festgeschriebene Notkompetenz des Bürgermeisters, die es Michael Ludwig erlaubt hat, zweimal jeweils 700 Millionen Euro (einmal am 15. Juli und einmal am 29. August) als Absicherung für die Wien Energie freizumachen - die "Wiener Zeitung" hat berichtet.
Im Gegensatz zur Aussage von Bürgermeister und Magistratsdirektion, dass es sich dabei um einen ganz normalen und legitimen Vorgang handle, vertritt die Wiener ÖVP eine andere Rechtsmeinung und beruft sich dabei auf eine entsprechende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) beziehungsweise auf die Expertise des Verfassungsrechtlers Peter Bußjäger gegenüber anderen Medien.
Laut § 92 Wiener Stadtverfassung ist der Bürgermeister berechtigt, "bei dringlichen Fällen in Angelegenheiten, die in den Wirkungsbereich eines Gemeinderatsausschusses, des Stadtsenates oder des Gemeinderates fallen, unter seiner Verantwortung Verfügungen zu treffen, wenn die Entscheidung dieser Gemeindeorgane ohne Nachteil für die Sache nicht abgewartet werden kann. Er hat die Angelegenheit jedoch unverzüglich dem zuständigen Gemeindeorgan zur nachträglichen Genehmigung vorzulegen."
"Durch VfGH bestätigt"
Laut Wölbitsch stelle sich vor allem die Frage, ob der Bürgermeister seinen "Notkompetenz-Akt" den zuständigen Gemeindeorganen zur nachträglichen Beschlussfassung tatsächlich "unverzüglich" vorgelegt habe. "Das ist wohl zu verneinen", so der Klubchef. Denn wenn bereits im Juli ein solcher "Notkompetenz-Akt" beschlossen wurde, wäre die nachträgliche Genehmigung der Gremien im September mit rund zwei Monaten Verzögerung keinesfalls als "unverzüglich" einzustufen. Der zuständige Stadtrat könne nämlich den Ausschuss bzw. der Bürgermeister den Stadtsenat und Gemeinderat zügig und auch in der "Urlaubszeit" einberufen, hieß es.
Das sei durch einen Spruch des VfGH zu einem Fall der Ausübung einer Notkompetenz von 2008 belegt: "Wie der Verfassungsgerichtshof (zu vergleichbaren Fällen) bereits mehrfach festgehalten hat, begründet der Hinweis auf vermehrte Abwesenheiten - wie sie insbesondere in der Urlaubszeit auftreten - keinen Umstand, der schon für sich einer rechtzeitigen Einberufung des zuständigen Kollegialorgans entgegenstehen würde (...). Zudem bieten die maßgeblichen Bestimmungen der NÖ GO 1973 hinreichend Vorsorge für eine zeitgerechte Einberufung des Gemeindevorstandes."
Abgesehen davon sei in dem Spruch auch zu lesen, dass der Gemeinderat zusammentrete, "sooft es die Geschäfte erfordern. Als Frist ist nur vier Tage (exkl. Sa, So Feiertage) Akteneinsichtsmöglichkeit zur berücksichtigen." Und die Frist sei nur durch "rechtzeitige Einsichtnahme" der Stadträte in die Dienststücke" definiert. Zudem seien hier speziell in Fällen der Dringlichkeit auch unbürokratische Umlaufbeschlüsse möglich, wie Wölbitsch weiter ausführte.
"Es war unverzüglich"
Wie es am Mittwoch aus der Magistratsdirektion hieß, würden die Entscheidungen über die Vergabe der Finanzmittel an die Wien Energie unverzüglich den zuständigen Gemeindeorganen vorgelegt. Das heißt laut Magistrat, dass dies in der nächsten Sitzung des entsprechenden Gremiums durchgeführt werden muss. Für Zusammenkünfte der in diesem Fall zuständigen Organe gibt es Termine: Der Finanzausschuss tagt am 12. September, der Stadtsenat am 13. September und der Gemeinderat am 21. September.
Laut Rathaus kam die Notkompetenz des Bürgermeisters seit Beginn der Covid-Pandemie fünf Mal zur Anwendung - damit wurden etwa der Gastro-Gutschein oder die Ukraine-Soforthilfe in die Wege geleitet. Die Beschlüsse seien dann nachträglich im Gemeinderat bestätigt worden - zum Teil sogar einstimmig. Rein theoretisch würde die Entscheidung des Bürgermeisters aber auch dann weiter gelten, wenn die politischen Gremien hier die Zustimmung verweigern.